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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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drüben«, antwortete der Bursche mit einer entsprechenden Kopfbewegung, »wenn da noch jemand drin ist …« Er führte den Satz nicht zu Ende, sondern ließ ihn in ein vielsagendes Schweigen übergehen, aber dann runzelte er die Stirn und sah Will mit neu erwachendem Interesse an. »Sie waren doch nicht etwa da drin?«
    Wills Ärger auf diesen sensationslüsternen Gaffer machte einer anderen, noch viel größeren Wut auf sich selbst Platz. Er hatte ganz genau das erreicht, was er unter allen Umständen hatte vermeiden wollen, aber anscheinend war es sein Schicksal, dass er umso mehr Aufsehen erregte, je mehr er versuchte, unauffällig zu sein.
    »Nein«, sagte er hastig. »Ich war nur hinten auf dem Hof, als der Tanz losging. Keine Ahnung, was passiert ist.«
    Er drehte sich mit einer brüsken Bewegung um, die allein den Burschen daran hinderte, eine weitere Frage zu stellen, und tat so, als starre er wie alle anderen gebannt auf das lichterloh brennende Haus. Seine Gedanken rasten. Wie viele Menschen hatten sich dort drüben im Haus aufgehalten, als das Inferno losbrach? Vermutlich nicht allzu viele – die meisten waren wahrscheinlich schon längst unterwegs zur Arbeit oder zur Schule, aber eben nicht alle –, und mit ein wenig Glück hatten die Schreie der Blonden dafür gesorgt, dass sie das Haus verließen. Und wenn nicht … Will machte sich nichts vor. Sosehr er ihn auch dafür hasste, der Kerl neben ihm hatte Recht. Wer immer es nicht vor ihm geschafft hatte, das Haus zu verlassen, der war längst tot. So wie Falkenberg und Reimann.
    Das Heulen der Sirene, das er vorhin schon aus der Ferne wahrgenommen hatte, kam jetzt rasch näher. Will sah in die entsprechende Richtung, aber noch blieb die Straße leer. Selbst wenn der Feuerwehrwagen in diesem Moment um die Ecke gebogen wäre, hätte er vermutlich keine Chance gehabt, bis hierhin vorzudringen. Mindestens ein Dutzend Autos hatte kreuz und quer auf der Fahrbahn angehalten, einige Fahrer waren ausgestiegen, um das Schauspiel zu betrachten, das sich ihnen bot. Und die Zahl der Schaulustigen, die zusammengelaufen waren, versuchte er nicht einmal zu schätzen. Aber früher oder später würde die Feuerwehr hier aufkreuzen und in ihrer Begleitung auch ganz bestimmt die Polizei. Es wurde Zeit, dass er verschwand.
    Die Frage war nur – wohin? Das Heulen der Sirene schien jetzt immer rascher näher zu kommen, aber es fiel Will auch im gleichen Maße schwerer, die Richtung zu identifizieren, aus der es sich näherte. Wenn er Pech hatte, lief er der Polizei direkt in die Arme.
    Ihm wurde klar, wie albern dieser Gedanke war. Auf der anderen Straßenseite tobte ein Feuer, das gute Aussichten hatte, nicht nur auf die Nachbargebäude, sondern auch auf einen Großteil der ganzen Stadt überzugreifen, und die Anzahl der Schaulustigen, die aus allen Richtungen zusammengelaufen und -gefahren kamen, wurde mit jeder Minute größer. Selbst wenn die Polizei im Anmarsch war, hatte sie ganz bestimmt Besseres zu tun, als auf ihn zu achten. Will wandte sich fast wahllos nach links und setzte sich in Bewegung.
    Die Hitze war zwar mittlerweile auch hier intensiv genug, um die Leute zurückzutreiben, aber von hinten drängten immer noch weitere Schaulustige nach, so dass er sich auf den ersten Schritten fast vorkam wie ein Schwimmer, der einen Katarakt hinaufzukraulen versuchte. Nach ein paar Augenblicken wurde es besser, und als er den halben Weg zur Kreuzung zurückgelegt hatte, konnte er beinahe ganz normal gehen – auch wenn er tatsächlich der Einzige zu sein schien, der sich in diese Richtung bewegte. Im Gehen wandte Will den Kopf und sah noch einmal zurück. Am anderen Ende der Straße war das flackernde Blaulicht eines Feuerwehrwagens aufgetaucht. In dem Durcheinander aus Menschen und Fahrzeugen fiel es ihm schwer, den Löschzug zu fixieren, aber er sah immerhin, dass der sich bewegte und gegen alle Wahrscheinlichkeit nicht im Verkehrsgewühl stecken geblieben war, sondern sogar unerwartet schnell näher kam. Trotzdem würde er zu spät kommen. Ein einziger Feuerwehrwagen würde hier wenig ausrichten, um nicht zu sagen: gar nichts.
    Will stürmte weiter, und der Anblick erfüllte ihn zugleich mit einem Zorn, den er im ersten Moment selbst nicht richtig verstand. Er war alles andere als ein Engel oder auch nur ein guter Mensch, sondern im Gegenteil ein bekennender Zyniker, der vermutlich noch vor Tagesfrist selbst inmitten dieser gaffenden Meute gestanden und insgeheim

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