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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gleichkommen, aber es war dennoch die einzige Chance, die sie hatten; und damit zugleich die beste.
    Will verschwendete kaum mehr als eine Sekunde auf diesen Gedanken, dann schob er alle – ohnehin nutzlosen – Bedenken beiseite und riss mit einem einzigen Ruck die brennenden Gardinen herunter. Flammen strichen über seine Haut und versengten sie, aber der Schmerz war sonderbar irreal und vermochte ihn nicht wirklich aufzuhalten. Er machte sich nicht die Mühe, die Flammen des brennenden Vorhangstoffs auszutreten, sondern stieß ihn nur mit einem hastigen Tritt beiseite, riss das Fenster auf und fuhr in nahezu derselben Bewegung zu Reimann herum.
    »Schnell!«, stieß er hervor. »Wir müssen hier raus!«
    Reimann hob müde den Blick und sah Will an, aber seine Augen blieben auf eine furchteinflößende Art leer. »Ich … kann nicht weiter«, murmelte er.
    »Wollen Sie sterben?«, fragte Will.
    »Bringen Sie sich in Sicherheit«, beharrte Reimann. »Ich schaffe es nicht, aber Sie schon.«
    »Das könnte Ihnen so passen«, antwortete Will grob. »Sie legen sich hier auf die faule Haut, und ich kann Ihren Kollegen später erklären, wieso ich aus einem brennenden Haus flüchte, in dem zwei tote Polizisten zurückgeblieben sind.«
    Reimann verzog die Lippen zu einer Grimasse, die irgendwo auf halbem Wege zu einem Lächeln erstarb – aber er raffte auch sichtbar all seine Kraft zusammen, um sich in die Höhe zu stemmen. Will überzeugte sich mit einem misstrauischen Blick davon, dass er auch tatsächlich aus eigener Kraft stehen konnte, dann wandte er sich wieder zum Fenster um und riss es mit einer entschlossenen Bewegung auf. Kalte Luft und ein ganzer Chor hektischer Geräusche fauchten zu ihnen herein; Schreie, Klirren, Bremsenquietschen und das entfernte Jaulen einer Sirene. Will musste plötzlich an alles denken, was er jemals über Brandbekämpfung und Feuer gehört hatte – das offene Fenster war vermutlich der größte Gefallen, den er dem noch im Entstehen begriffenen Zimmerbrand tun konnte –, aber welche Wahl hatte er schon?
    Er beugte sich vor und sah auf das Garagendach hinab. Es lag deutlich tiefer unter dem Fenster, als er angenommen hatte, aber es war dennoch ein Sprung, den er schaffen konnte. Und Reimann? Er musste es schaffen, so einfach war das. Er drehte sich wieder zu dem Polizeibeamten um und registrierte erleichtert, dass Reimann nicht nur immer noch stand, sondern sogar einen unsicheren Schritt in seine Richtung getan hatte. Will streckte den Arm aus, um ihm zu helfen, Reimann machte einen weiteren Schritt, und der Boden gab unter seinem Gewicht nach und verschlang ihn.
    Es ging einfach zu schnell, als dass Will noch irgendetwas hätte tun können, selbst wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. In der einen Sekunde war Reimann noch da und seine Hand nur noch Zentimeter von Wills hilfreich ausgestreckten Fingern entfernt, und in der nächsten Sekunde war er einfach fort, und wo er gestanden hatte, gähnte ein gezacktes Loch im Boden, aus dem prasselnde Flammen und eine Woge grausamer trockener Hitze emporschlugen. Kein Schrei. Will sah ihn nicht einmal wirklich stürzen. Es war, als wäre Reimann von einem Sekundenbruchteil auf den andern einfach verschwunden.
    Ich legte Clara beide Hände auf die Schultern. Der Qualm biss in meinen Augen, der giftige Rauch brannte in meinen Lungen. Ich merkte es kaum. An Clara vorbei starrte ich auf die verkrümmte, verkohlte Gestalt, die vor uns auf dem schweren Teppich im Flur lag und sich in Agonie wand, obwohl sie eigentlich gar nicht mehr hätte leben dürfen. Ein fürchterliches Feuer hatte sie verheert, ein Feuer, das grausamer und tobender war als die flammende Hölle, in die die Phosphorbombe dieses Haus verwandelt hatte.
    Alles hier, das Haus, die Gasse und die angrenzenden Straßen würden ein Opfer der Flammen werden, alles würde bis auf die Grundfesten niederbrennen, und niemand würde auch nur im Entferntesten auf den Gedanken kommen, dass nicht alleine die heimtückische Gewalt der Phosphorbomben für die Urgewalt ausreichte, die hier und jetzt gerade entfesselt wurde. Das Feuer brach sich Bahn in den Armen und Beinen der Ordensschwester, die Flammen züngelten und krochen aus der bereits verkohlt wirkenden Haut hervor, winzigen Schlangen ähnlich, die gerade geschlüpft waren und dennoch schon bereit waren, ihr Gift an den Erstbesten zu verspritzen, der ihnen zu nahe kam. Die Augen, die eben noch gleichermaßen anklagend in unsere Richtung

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