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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auf unheimliche Weise an den vergangenen Abend. Der Wagen war nicht annähernd so verheert wie der gestern, und es gab auch keine formlosen Körper, die hastig mit Plastikplanen zugedeckt worden waren. Unter dem Auto hatte sich nicht die Erde aufgetan, um mit dem Feuer der Hölle nach ihm zu greifen. Er konnte sogar noch das Fabrikat, die Farbe und die ersten drei Buchstaben des Nummernschildes erkennen. Das lodernde Etwas zehn Meter vor ihm war noch vor wenigen Minuten ein weißer Volvo gewesen, drei oder vier Jahre alt und eindeutig aus der gehobenen Preisklasse, und Will konnte allein an der Art des Feuers erkennen, was – vermutlich – passiert war. Offensichtlich hatte der Motor des Wagens Feuer gefangen, und der Brand hatte sich – was selten vorkam, aber dafür mit manchmal umso dramatischeren Folgen – rasch genug ausgebreitet, um den Insassen des Volvo gerade noch Zeit zu lassen, aus dem Kombi zu fliehen, aber nicht mehr, ihn vorher an den Straßenrand zu lenken. Ein ganz normaler Fahrzeugbrand, wie er vermutlich allein hier in Köln mindestens dreimal pro Woche vorkam, nur, dass es eben kein ganz normaler Fahrzeugbrand war.
    Will konnte seine Überzeugung nicht begründen, aber er wusste einfach, dass hier etwas nicht stimmte. Selbst wenn er bereit gewesen wäre, alles zu vergessen, was er je über Statistik und Wahrscheinlichkeiten gelernt hatte, und den Gedanken zu akzeptieren, dass im gleichen Moment, in dem nur zwei Straßen entfernt ein halber Häuserblock in die Luft flog, rein zufällig hier ein Wagen in Flammen aufging – da war noch mehr. Irgendetwas war hier, etwas, das unsichtbar war, das man weder hören, riechen, schmecken, anfassen noch auf irgendeine andere Weise fühlen konnte, das aber trotzdem einfach da war. So präsent, dass es mit seiner puren Gegenwart alles andere erschlug. Etwas Unbekanntes und zugleich auf unheimliche Weise Vertrautes. Er hatte es schon einmal gespürt, auch wenn es ihm erst jetzt, im Nachhinein, erst wirklich bewusst wurde. Gestern Abend, als er vor einem anderen, ungleich verheerteren Autowrack gestanden hatte. Etwas umgab diesen Wagen, was nicht richtig war. Der bloße Gedanke reichte schon aus, um die Panik wieder aufflackern zu lassen. Will kämpfte sie mühsam nieder und unterdrückte auch den Impuls, sich erschrocken umzusehen.
    Stattdessen schob er sich unauffällig näher an den brennenden Wagen heran. Er wusste nicht, warum, aber plötzlich hatte er das Gefühl, dass es wichtig war, möglichst viel über ihn in Erfahrung zu bringen. Das Risiko hielt sich in Grenzen. Die Polizei hatte im Moment Besseres zu tun, als sich um einen brennenden Kombi zu kümmern, so dass die einzige Absperrung aus der Hitze-Barriere bestand, die die prasselnden Flammen allen Bemühungen der Feuerwehr zum Trotz errichtet hatten. Der beißende Gestank von brennendem Plastik drang ihm in die Nase, und die Hitze war so schlimm, dass seine Augen immer stärker tränten und er kaum noch etwas sehen konnte, aber es reichte allemal, um den goldfarbenen Haarschopf auf der anderen Straßenseite aufblitzen zu sehen.
    Irgendetwas im Inneren des Volvo explodierte. Es war keine richtige Explosion, kein rot-orangefarbener Feuerball wie von einer Aktentaschen-Atombombe, in dem brennende Autos in Spielfilmen zu explodieren pflegen, sondern eher ein kurzes Aufblitzen und ein jäher Funkenschauer, aber als es vorbei war, war das schmale Gesicht auf der anderen Straßenseite verschwunden. Er sah noch eine Menge blonder Haare, doch keines davon hatte die Farbe von geschmolzenem Gold, und trotzdem war er sicher, es sich nicht nur eingebildet zu haben. Seine Sinne arbeiteten längst nicht mehr mit jener übernatürlichen Schärfe wie gerade, aber es war nach wie vor ein Moment vollkommener Klarheit. Er wusste, dass er die Blonde dort drüben gesehen hatte. Sie hatte nicht den brennenden Wagen angestarrt, sondern ihn. Und das wiederum bedeutete, dass auch Duffy noch irgendwo in der Nähe sein musste.
    Will drehte sich herum, kämpfte sich mit erheblicher Anstrengung durch die immer größer werdende Menge der Schaulustigen und bahnte sich mit noch mehr Mühe einen Weg um den Feuerwehrwagen und den brennenden Volvo herum auf die andere Straßenseite, um nach der jungen Frau mit dem goldfarbenen Haar zu suchen, aber natürlich fand er sie nicht.
    Genauso wenig wie den Widerhall der Erinnerungen an Clara, das kleine Mädchen, das irgendwo weit weg und in einer längst vergangenen Zeit das Opfer

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