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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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sich in einem Zustand der Unbewußtheit, der solche Dinge möglich machte. Schon erreichte er die Felsplatte, auf der Martin bewußtlos lag, zog den großen, schlaffen Körper anscheinend mühelos hoch, warf ihn über seine Schulter. Dann langsam, aber zielsicher, ging er über Steine und Lavageröll den Weg zurück; zuweilen berührten seine Fußsohlen die Glut, aber es schien ihm nichts auszumachen. Er wanderte weiter, unter seiner Last gebeugt. Sein Gesicht darunter war ein wenig wie das eines mit offenen Augen Schlafenden. Er sah nicht im geringsten erschöpft aus; fast lächelte er sogar, aber das bildete ich mir vermutlich nur ein.
    Ich hatte das Gefühl, daß plötzlich viele Menschen um mich herum waren, die sehr viel Lärm machten. Schatten schoben sich zwischen Manuel und mich, Arme streckten sich nach ihm aus, um ihm seine Last von den Schultern zu nehmen. Alles verschwamm vor meinen Augen, Formen, Farben und Geräusche flossen ineinander über. Ich versuchte die Lider aufzuschlagen, aber das erforderte eine ungeheure Anstrengung, sie fielen mir immer wieder zu. Ich fühlte mich zu Boden gezogen, wie eine Ertrinkende rücklings versinken. Schwarze Blitze jetzt und dumpfe Laute, ein sammelnder Rhythmus, kein Oben und kein Unten mehr. Die Dunkelheit gewann an Dichte, der Wirbel drehte sich schneller und schneller und zog mich in die Tiefe. Eine Hitzewelle wallte durch mich hindurch. Dann nur noch Finsternis, Schweben und tanzende Feuerkreise.
    Ich erwachte und glaubte zu träumen. Ich lag in einem dunklen Raum und hörte meine Uhr leicht ticken. Ich tastete mit den Händen, fühlte eine Matratze, ein Bett. Eine Decke war über mich ausgebreitet. Man hatte mir die Windjacke ausgezogen, den Pullover auch. Jeans und Bluse hatte ich noch an, und alles stank nach Schwefel. Weshalb lag ich hier, in diesem Zimmer? War ich krank? Mein Kopf schmerzte, meine Zunge fühlte sich geschwollen an, und jeder Muskel tat mir weh. Ich befühlte zart die brennenden Augenwinkel. Ich sah auf die Uhr. Es war schon spät abends, bald elf. Auf dem Nachttisch stand ein Glas mit Wasser. Ich richtete mich mühsam auf, griff nach dem Glas und trank einen Schluck; das Wasser erfrischte und tat gut. In meinem rechten Fußballen brannte und pochte der Schmerz. Ich tastete meine Wade entlang, fühlte, daß mein Fuß verbunden war. Mit einem Mal zerriß der Schleier, der meine Sinne verdunkelte. Ich sah Martin mit Fototasche und Stativ auf dem Stein kauern, die glühende Lava aus dem Schlot brechen. Und dann Martin, von Krämpfen geschüttelt, das Gesicht blaurot angelaufen, ohne Bewußtsein, dem sicheren Tod ausgeliefert. Martin… Ich hatte versucht, ihn zu retten, das gleiche für ihn zu tun wie damals für Nonna. Es war mir nicht gelungen. Und Manuel hatte an meiner Stelle den Glutstrom überquert, hatte Martins leblosen Körper durch das Feuer getragen. Wie war das nur möglich? Und was war mit mir?
    Warum hatte ich versagt? Hing es mit meinem Übelsein zusammen? Mit dem Erbrechen, den Schmerzen in den Gelenken? Mir kam in den Sinn, was Stavros darüber gesagt hatte: Du denkst zuviel, du bist nicht ganz bei der Sache. Früher, als Kind, war das anders. Es stimmt schon, dachte ich.
    Ich hatte Martin retten wollen, aber nicht mit meiner ganzen Kraft. Man läßt einen Menschen nicht umkommen, auch nicht, wenn er sich selbstverschuldet in Gefahr bringt. Aber ich war wütend auf ihn gewesen; das hatte sich auf meine Konzentration ausgewirkt. Manuel hatte sich durch solche Gefühle nicht aufhalten lassen; er hatte, ohne zu zögern, sein Leben aufs Spiel gesetzt, die Unschuld und die Macht der Kindheit zurückgewonnen, das Unmögliche fertiggebracht. Ja, so war es gewesen.
    Doch da war noch etwas anderes. Da war noch mehr. Ich mußte nachdenken, verstehen. Mir schien, als hätte ich die Antwort auf die Frage, die mich beschäftigte, in Reichweite, doch diese Antwort war wie ein schimmerndes Holzstück auf dem Wasser, das jedesmal, wenn ich danach zu greifen versuchte, wieder unterging.
    Bisher war es still gewesen; doch nun drangen Stimmen und Lärm aus dem Erdgeschoß. Alle waren in der Halle versammelt. Ob Martin wohl noch am Leben war? Ich wollte nach unten gehen, mich nach ihm erkundigen. Warum fühlte ich mich nur so schwach? Ich warf die Decke zurück, setzte behutsam meinen verletzten Fuß auf den Boden. Mir schwindelte, meine Beine zitterten. Da wurde die Tür behutsam aufgestoßen. Manuel. Er machte Licht, war schon bei mir, bevor ich

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