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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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vielleicht hätte helfen können. Der Fahrer und sein Wagen wurden nie ausfindig gemacht, zum Zeitpunkt des Unfalls war an diesem Straßenstück kein Verkehr gewesen, und trotz wiederholter Aufrufe in den Medien meldeten sich keine Zeugen. Das Mädchen starb einsam auf dem vereisten Asphalt und atmete schon nicht mehr, als der Fahrer des nächsten Wagens auf sie aufmerksam wurde. Er konnte froh sein, nicht über sie gefahren zu sein, denn ihr schlanker Körper war bereits von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Berglind schloss die Augen wieder und rieb sie mit ihren klammen Fingern. Wie breit war ein Auto? Zwei Meter? Drei Meter? Der Weg vom Haus des Mädchens zu ihnen betrug mindestens einen Kilometer, wenn nicht gar zwei. Was für ein tragisches Schicksal, dass sie genau dann die Straße überquerte, als dieser rücksichtslose Fahrer angefahren kam.
    Berglind öffnete die Augen und leerte das Glas. Obwohl der Unfall ihr immer noch zu schaffen machte, war der schreckliche Tod des jungen Mädchens nicht das Schlimmste. Diese Tragödie ließ sich erklären: Etwa eine Tonne Stahl prallte mit hundert Stundenkilometern auf ein fünfzig Kilo leichtes Mädchen. Das Ergebnis war vollkommen logisch. Natürlich war es ein trauriges Ereignis, aber dennoch ein Teil dessen, womit der Mensch zurechtkommen musste. Viel schwieriger war es, sich mit dem abzufinden, was dann folgte: Das Mädchen – oder vielmehr ihr Geist – schien beschlossen zu haben, ihr Versprechen, auf Pési aufzupassen, einzulösen, sobald es dämmerte. Vielleicht durfte sie nicht in Frieden ruhen, weil sie eines unnatürlichen Todes gestorben war. In den wenigen Horrorfilmen, die Berglind gesehen hatte, wurden Menschen zu Wiedergängern, wenn ihr Tod ungeklärt war. Am Anfang verstanden Berglind und Halli nicht, was los war, und hielten die Aussagen des Jungen, Magga sei bei ihm, für eine Folge ihrer Gespräche über den Unfall. Er war noch zu klein, um den Tod zu begreifen. Es war völlig normal, dass Pési Magga vermisste; sie hatte auf ihn aufgepasst, seit er ein Jahr alt war, und er war total begeistert von ihr. Doch Berglind wurde mulmig zumute, als der Junge ständig wiederholte, Magga gehe es schlecht, sie habe so viel
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. Erst da spitzte sie die Ohren und schüttelte die Lethargie ab, die sie nach dem Unfall befallen hatte. Allmählich häuften sich mysteriöse, unheimliche Vorfälle, bis die Sache nicht mehr zu verleugnen war.
    Sobald es dämmerte, wurde es kühl im Kinderzimmer, und die Fensterscheibe beschlug. Sämtliche Versuche, die Heizung zu reparieren, blieben erfolglos, der Installateur stand eine Stunde lang herum, kratzte sich am Kopf und ließ sie dann ratlos zurück, mit einer Rechnung über vier Stunden Arbeitszeit. Das alte Mobile, das über dem Bett des Jungen hing, bewegte sich, obwohl kein Luftzug im Raum war, und andauernd gab es Stromschwankungen; das Licht flackerte, und ständig mussten Glühbirnen ausgetauscht werden. Sobald der Tag anbrach, wurde die Luft im Raum drückend und änderte sich auch nicht, wenn man das Fenster aufmachte. Es war, als ginge der Sauerstoff zur Neige, und jeder Atemzug hinterließ einen ekelhaften, metallischen Geschmack im Mund. Für all dies konnte man logische Erklärungen finden. Das Haus war schon in die Jahre gekommen und musste dringend renoviert werden. Andere Vorfälle ließen sich jedoch keineswegs auf den Zustand des Hauses schieben. Morgens waren Pésis Teddybären ordentlich aufgereiht, und seine Kleider lagen gefaltet auf einem Hocker in der Ecke, obwohl sie am Abend vorher auf einem Haufen auf dem Boden gelegen hatten. Und das war noch nicht alles. Pési schreckte nachts oft jäh aus dem Schlaf hoch, aber seine Eltern mussten ihm nicht etwa etwas zu trinken geben, ihn zurück ins Bett bringen oder beruhigen, sondern fanden ihn lächelnd in seinem Bett sitzend, mit den folgenden Worten auf den Lippen: »Ihr müsst nicht aufstehen, Magga passt auf mich auf.«
    Daraufhin holten sie ihn nachts zu sich, was dem Geist des Mädchens zu missfallen schien. Ständig wachten sie auf, weil die Bettdecken ohne besonderen Grund langsam auf den Boden rutschten. Unter dem Bett war ein kratzendes Geräusch zu hören, erst kaum merklich, dann immer lauter und heftiger. Das Geräusch verstummte, sobald Halli aufstand, unters Bett schaute und schläfrig murmelte, das seien bestimmt die verdammten Mäuse. Aber er sah nie irgendein Tier. Dieselbe Kühle, die sie in Pésis Zimmer wahrgenommen hatten,

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