Fey 04: Die Nebelfestung
schwierigen Umständen zum Rücktritt gezwungen worden.«
»Richtige Taten führen nicht zu Mordversuchen mitten in der Nacht.«
»Aber wohl«, entgegnete Matthias. »Deswegen wohnen der Rocaan und die Ältesten gewöhnlich nicht auf dem gleichen Stockwerk. Der Rocaan wurde von jeher von seinen Assistenten bedroht.«
»Vielleicht habe ich es falsch ausgedrückt«, räumte Porciluna ein. »Richtige Taten führen nicht zu rätselhaften Mordversuchen. Ein Inselbewohner hat Euch angegriffen? Kam er vom König? Ist er auf andere Weise mit dem Tabernakel verbunden? Oder war es ein Einzelgänger? Und Beispiele, die ausmalen, was alles hätte passieren können, wenn die Fey beteiligt gewesen wären, zählen nicht. Ihr habt nicht recht gehandelt, Matthias. Eure Handlung hätte uns allen schaden können.«
»Ihr habt eine Neigung zur Dramatik, Porciluna«, entgegnete Matthias.
Porciluna kniff die Augen zusammen und blickte ihn durchdringend an. »Nein, Matthias. Ich habe eine Neigung zur Wahrheit.«
»Wirklich?« fragte Matthias. »Dann dürftet Ihr Euch selbst wohl kaum als Gläubigen bezeichnen, Porciluna.«
Matthias schob sich an ihm vorbei und eilte in seine Räume zurück. Die Daniten hatten die Tür nicht geschlossen. Die Möbel standen von der Durchsuchung der Räume noch kreuz und quer herum. Die Türen zum Balkon waren geschlossen und verriegelt, und jemand hatte die Decken von seinem Bett entfernt.
Als Matthias eintrat, fing sein Herz wieder heftiger an zu schlagen. Kein grünes Leuchten. Kein Fremder. Merkwürdig, daß er davon geträumt hatte, kurz bevor der Eindringling tatsächlich aufgetaucht war. Vielleicht hatte der Mann zu diesem Zeitpunkt schon grün geleuchtet.
Inselbewohner leuchteten nicht. Ebensowenig wie Fey, soweit Matthias wußte. Aber er wußte zu wenig von den Fey. Dabei hatte er immer geglaubt, es sei wichtig, seine Feinde so gut wie möglich zu kennen.
»Heiliger Herr?«
Matthias wirbelte herum. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
Auf der Schwelle stand ein Aud mit einem Stapel frischer Zudecken. »Soll ich Euer Bett herrichten, Heiliger Herr?«
»Ich bitte darum«, sagte Matthias, obwohl er bezweifelte, daß er in dieser Nacht noch ein Auge zutun würde. »Wenn du damit fertig bist, wäre es mir lieb, wenn du noch ein Feuer im Kamin machtest.«
»Ganz wie Ihr wünscht, Heiliger Herr.« Der Aud ging ins Schlafzimmer. Ein weiterer Aud klopfte an die Tür.
»Jemand soll auf Eurem Balkon Wache halten, Heiliger Herr?«
Matthias nickte. Er überlegte kurz, ob er die Auds nach Waffen durchsuchen sollte, unterließ es dann aber. Niemand würde es wagen, ihn von seinen eigenen Wachtposten angreifen zu lassen. Trotzdem galt es, sich so gut wie möglich zu schützen. Er würde die Wachtposten so lange behalten, bis er wußte, wie er sich selbst schützen konnte.
Der Aud verließ das Schlafzimmer, und zwei weitere bezogen vor seiner Tür Stellung. Der Aud auf dem Balkon schloß die Tür von außen und ließ sich auf einem der Stühle in der Dunkelheit nieder. Matthias zog die Vorhänge vors Fenster und verriegelte die Tür zum Flur. Die Vorstellung, daß ihn die Auds dabei beobachten konnten, wie er furchtsam auf und ab ging, war ihm unerträglich.
Und er fürchtete sich. Wer der grüne Mann auch gewesen mochte, er hatte seine Aufgabe erfüllt.
Er hatte Matthias zutiefst erschreckt.
Aber Matthias würde sich bald wieder davon erholen.
2
Die dicken Gobelins vor dem Fenster waren zurückgezogen, und die frühmorgendliche Sonne schien in das Kinderzimmer. Arianna gab in ihrer Wiege kleine zufriedene Laute von sich. Die Schwester, die für das Windelwechseln zuständig war, hatte gerade den Raum verlassen, und Sebastians Kinderfrau hatte soeben die Fütterung des Lehmklumpens beendet. Über Nacht war das Feuer erloschen, aber die Kohlen strahlten noch ein wenig Wärme aus.
Wieder war ein Morgen im Palast angebrochen.
Obwohl Solanda ihre Katzengestalt angenommen hatte, war ihr die Wärme gleichgültig. Sie schritt zum Fenster, und die kühle Brise, die hereinwehte, spielte in ihrem Fell. Drei Stockwerke tiefer glitzerte der taufeuchte Garten. Bei dem Gedanken daran, wie der Koch, vor vielen, vielen Jahren, Milch für die Katze vor die Küchentür gestellt hatte, leckte sie sich die Schnurrbarthaare.
Diese Tage waren längst vorbei. Seit Ariannas Geburt hatte sie das Kinderzimmer nicht mehr verlassen.
Sie wagte es nicht.
Immer noch mißtrauten ihr alle. Die Kinderfrau ließ
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