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Fida (German Edition)

Fida (German Edition)

Titel: Fida (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Maucher
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sie aufgegeben, mit ihm darüber zu diskutieren. Es würde ihr wie Verrat vorkommen, nicht mehr zu gehen. Käme einer Kapitulation gleich und wäre ein Eingeständnis, dass sie nicht bereit ist zu machen. Wenn sie jemals wieder Frieden finden soll, endlich wieder ruhig schlafen, dann darf sie ihr letztes Fünkchen Hoffnung nicht auch noch begraben. Nicht, bevor sie gefunden hat, wonach sie sucht, oder wenigstens etwas findet, was sie betrauern und begraben kann.
    „Du darfst nicht aufgeben!“, sagt sie sich selbst immer wieder, bevor sie zu ihrem wöchentlichen Spaziergang aufbricht.
    „Nichts auf der Welt verschwindet spurlos.“
    Endlich erreicht sie die überdachte Bushaltestelle am Ende der Straße. Ein Blick auf die Armbanduhr verrät ihr, dass sie durch ihren kleinen Unfall länger für den Weg gebraucht hat als sonst. Kurz sieht sie sich um. Der Bus ist bereits in Sicht. Ein kleiner Punkt am Ende der endlos wirkenden Straße, die sie gerade noch entlangwanderte. Normalerweise wartet sie immer ein paar Minuten, bevor er kommt und sie einsteigt. Ein paar Haltestellen weiter, in der Nähe des Stadtparks mit seinen mächtigen, alten Eichen, in dem täglich viele Menschen spazieren gehen, steigt sie wieder aus.
    Jetzt muss sie sich beeilen. Ihre nervösen Finger greifen in ihre geräumige, ausgebeulte Manteltasche, in der eine Handvoll Nägel leise klimpert. Der Hammer steckt in der anderen, ihn wird sie später noch brauchen, wenn sie im Park ist. Obwohl „Plakate ankleben verboten!“ über der Schautafel des Fahrplans steht, heftet sie mit dem eilig zutage geförderten Klebeband eine ihrer Klarsichthüllen samt Inhalt an der Glasscheibe fest. Sie ist kaum fertig, da hört sie schon das Brummen des Busses, der kurz darauf mit unangenehm quietschenden Bremsen neben ihr anhält. Zischend öffnen sich seine Türen. Ihr Blick streift liebevoll das Gesicht ihrer Tochter, bevor sie einsteigt. Wie schön Lauras Haar glänzte, am Tag, an dem dieses Bild gemacht wurde. Sie trug ihr Lieblingssweatshirt, ihre Finger zwirbelten verspielt am Bändel der Kapuze, und sie lächelte fröhlich in die Kamera. VERMISST steht in großen Buchstaben über dem Foto.

Kapitel 2
    6.März 2012
     
    Amüsiert beobachtete Oliver Nagel, der Filialleiter eines Drogeriemarkts in der Stadt, wie eine Horde kichernder Mädchen sein Geschäft stürmte. Zielstrebig steuerten sie auf die Kosmetika zu, wo sie sich ein paar Minuten herumdrückten, Puder, Lippenstifte und Nagellacke testeten, bevor sie zu den Parfums weiterzogen, mit denen sie sich lachend gegenseitig besprühten. Seine neben ihm stehende Kollegin verzog säuerlich die Mundwinkel, bereit einzuschreiten, doch er legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Arm.
    „Lassen sie die Mädchen doch, Frau Weber. Das ist unsere Kundschaft von morgen.“
    Mit nachsichtigem Lächeln beobachtete er, wie eins der Mädchen sich aus dem Pulk ihrer Freundinnen herauslöste und an den Automaten herantrat, den der Markt zur Bestellung und zum Ausdrucken von Bildern anbot, während die anderen weiterhin das Sortiment durchprobierten. Das Mädchen am Automaten war etwas größer als ihre Freundinnen und wirkte auf ihn wie ein junger Baum. Schlank und in die Höhe geschossen. Im Gegensatz zu den anderen, deren Gesichter eine Art Kriegsbemalung zierte, wirkte sie sehr natürlich, verzichtete noch auf Make-Up. Ihre langen, dunklen Haare waren zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr über die Schulter fiel. Konzentriert runzelte sie die Stirn, während sie der Anleitung des Automaten folgte. Nagel war in Hörweite in einem Seitengang beschäftigt, als eine Freundin sich zu ihr gesellte, ihr über die Schulter blickte und fragte: „Laura, wie lang brauchst du noch? Wir wollen weiter.“
    Zufällig hörte er mit an, wie sich Laura darüber beschwerte, dass das von ihr gewünschte Format nicht sofort verfügbar war und sie die Abzüge erst bestellen musste.
    „Hoffentlich kommen die Bilder rechtzeitig an“, schwatzte sie weiter. „Sonst habe ich kein Geburtstagsgeschenk für meine Mutter.“
    „Was schenkst du ihr denn?“, fragte die gelangweilt dreinblickende Freundin, eher pflichtschuldig als interessiert.
    In den letzten Tagen hatte Laura alte Bilder eingescannt und auf eine Speicherkarte gezogen. Von sich als Baby, vom Schulanfang, aber sie hatte auch etliche Neue gemacht, die ihre Mutter noch nicht kannte. Außerdem hatte sie die wenigen Bilder digitalisiert, die ihre Mutter noch aus ihrer eigenen

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