Fieber an Bord
Verwundeten.«
»An Deck!« Bei dem alarmierenden Ruf blickte alles nach oben. »Schiffe vor Anker hinter der Landzunge! Zwei Schiffe!« Eine Pause. »Schoner mit Rahbesegelung.« Bolitho wandte sich Allday zu, seine Augen funkelten.
»Nun?«
Allday war verlegen. »Na ja, ich habe mich geirrt.«
»Offenbar.« Bolitho ging zur Reling. »Raus mit den Reffs, Mr. Borlase! Dieses Pärchen wollen wir uns nicht entgehen lassen.« Er lächelte über die Besorgnis des Offiziers.
»Vielleicht können wir sie als Prisen nehmen, wenn sie es wagen sollten, sich mit uns einzulassen.«
Er wandte sich ab; Herrick und sein Kommando mußten sich verirrt haben, oder sollten die Schoner auf Grund geraten sein?
Das große Segel am Vormast entfaltete sich und blähte sich gewichtig unter der Rah. Sofort glitt das Land schneller vorbei, und Gischt sprühte über den Bug und die dort kauernden Matrosen.
Keen rief: »Steuerbordbatterie feuert divisionsweise! Erst auf Befehl, Stückführer, verstanden?«
Bolitho sah zu Keen hinüber. Er hatte sich gut entwickelt, viel Selbstvertrauen und Autorität gewonnen, ohne dabei zum Tyrannen geworden zu sein, und das war sogar noch wichtiger.
Bolitho kam nicht auf den Gedanken, daß Keens Kommandant etwas damit zu tun haben könnte.
Er sagte: »Halten Sie sich bereit zur Kursänderung, Mr.
Borlase. Pfeifen Sie die Leute an die Brassen. Wir werden Nordost steuern.«
Wie oft hatten sie während der langen Nacht den Kurs gewechselt. Das war für die Leute nicht ungewöhnlich, doch jetzt war es anders. Sie hatten Land in Sicht bekommen und würden tun, was ihnen befohlen wurde.
Er hörte die gebellten Kommandos, das Schlagen der Fallen und Blöcke, als die Belegnägel gelöst wurden und die Matrosen sich bereitmachten, die Rahen zu trimmen.
Die Landzunge lag schon beinahe hinter ihnen, so daß Brände und Dampfwolken auf der anderen Seite der schmalen Bucht sichtbar wurden.
»Fünf Faden!«
Lakey meldete: »Alles klar, Sir.«
»Sehr gut.« Während die Matrosen die Brassen dichtholten und das große Doppelrad von Lakeys besten Rudergängern stetig gedreht wurde, legte Bolitho die hohlen Hände um den Mund und rief: »An Mastkorb! Was ist mit den Schiffen?«
Der Ausguck mußte von seiner Aussicht so gefesselt sein, daß er der ersten Meldung nichts weiter hinzuzufügen hatte.
»Noch vor Anker, Sir!« Der Mann war in dem blendenden Sonnenlicht nicht auszumachen.
Bolitho spürte, wie sich das Schiff aufrichtete, als es in den Schutz des Landes kam.
Borlase schrie: »Notieren Sie diesen Mann, Mr. Jury. Dort an der Nagelbank!«
Bolitho hatte keine Ahnung, wer der Schuldige war, noch kümmerte es ihn. Er starrte auf die Feuerreflexe im Wasser, die trotz der grellen Sonne stumpfrot glühten, so daß die Bucht vor ihrem Bug wie eine riesige, brennende Pfeilspitze wirkte.
»Bergen Sie die Fock, Mr. Borlase.«
Als das Segel an der Rah aufgegeit war, konnte Bolitho das brennende Dorf und die verkohlten Boote mit steigendem Zorn studieren. Was hatte das für einen Sinn? Auf welchen Gewinn konnte ein Pirat wie Tuke hoffen, wenn er diese einfachen Menschen vernichtete?
»Sechs Faden!« Der Lotgast war ganz von seiner Aufgabe absorbiert.
Neunzig Fuß über Deck hielt der Marinesoldat Blissett, ehemals Wildhüter und jetzt einer der besten Scharfschützen der Tempest , mit seinen Kameraden ein kleines Schwenkgeschütz besetzt und studierte die stockdünnen Masten über dem Landrücken.
Sobald er umschifft war, würde ihre Steuerbordbatterie das Feuer eröffnen, langsam und tödlich. Die ersten Schüsse waren immer sorgfältig gezielt. Blissett blickte hinunter auf die gespannt wartenden Gestalten zwischen den schwarzen Geschützen, die Offiziere und Deckoffiziere, die wachsam auf- und abgingen und hin und wieder einen Blick nach achtern zum Kommandanten warfen.
Bolitho stand fast genau unter ihm, hielt den Hut unterm Arm, und sein schwarzes Haar wehte in der heißen Brise. Blissett erinnerte sich an die andere Insel, an das Mädchen, das er nackt und ermordet aufgefunden hatte.
Blissett wunderte sich immer wieder über seine Mitmenschen. Die gleichen Männer, die äußerlich gefaßt einer Breitseite entgegensahen oder an der Auspeitschung eines Kameraden fast ohne Gefühlsregung teilnahmen, rasten vor Wut, wenn ein Hund getreten oder, wie in diesem Fall, ein unbekanntes Mädchen umgebracht wurde, das vermutlich ohnehin eine Schlampe gewesen war.
Blissett war nicht so, er dachte über die
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