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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Rücksicht mehr zu nehmen und könnte sich auf ihn stürzen.
    Davor hatte Damon Julian Angst. Abner Marsh kannte diese Situation. Julian hatte Joshua York zwar schon Dutzende von Malen gebrochen und sein Blut getrunken, um die Niederlage zu besiegeln. Aber York hatte einmal triumphiert. Und das reichte aus. Julian hatte seine Gewißheit der Überlegenheit verloren. In ihm lebte nun die Angst wie eine Made in einer Leiche.
    Marsh fühlte sich schlecht. Der Arm schmerzte ihn furchtbar, und er konnte nichts tun. Wenn er York und Julian nicht beobachtete, kehrten seine Blicke immer wieder zu der Schrotflinte zurück. Zu weit, sagte er sich. Viel zu weit weg. Mindestens zwei Meter. Es war unmöglich. Marsh wußte, daß er es niemals schaffen würde, nicht einmal unter den günstigsten Bedingungen. Und mit einem gebrochenen Arm . . . Er biß sich auf die Unterlippe und versuchte, einen anderen Weg zu finden. Jonathon Jeffers hätte sicherlich eine raffinierte Idee gehabt. Marsh kam nur auf eine simple, direkte und dumme Taktik - aufzuspringen und sich das Gewehr zu schnappen. Doch wenn er das täte, dann wäre er ein toter Mann.
    »Stört dich das Licht, Joshua?« fragte Julian einmal, nachdem sie lange so dagesessen hatten. »Du mußt dich schon daran gewöhnen, wenn du einer von ihnen werden willst. Alles brave Vieh liebt den Sonnenschein.« Er lächelte. Dann verblaßte das Lächeln so schnell, wie es aufgetaucht war. Joshua York erwiderte nichts darauf, und Julian schwieg.
    Während er ihn betrachtete, dachte Marsh, wie sehr Julian selbst verfallen zu sein schien, genauso wie der Dampfer und Sour Billy. Doch jetzt war es irgendwie anders, beängstigender. Nach dieser einen einzigen Frage dachte er nicht mehr an Spott. Er sagte nichts mehr. Er starrte ins Nichts, und seine Augen waren kalt und schwarz und tot. Manchmal nur schienen sie noch aufzuleuchten in dem tiefen Schatten, in dem er saß. Aber sie hatten nichts Menschliches mehr an sich. Marsh erinnerte sich an den Abend, als Julian an Bord der Fiebertraum gekommen war. Als er in diese Augen geblickt hatte. Es war so gewesen, als hätte er verfolgen können, wie eine Maske nach der anderen abfiel, bis am Ende nur noch das nackte Tier übrigblieb. Jetzt war es anders. Nun schienen die Masken überhaupt nicht mehr zu existieren. Damon Julian war immer böse gewesen, aber ein Teil dieses Bösen war menschlich gewesen: seine Gemeinheiten, seine Lügen, sein furchtbares Lachen, diese grausame Freude an den Qualen anderer, seine Liebe zur Schönheit und deren Vernichtung. All das schien nun verschwunden zu sein. Nun war da nur noch das Tier, das mit lauernden Augen in der Dunkelheit kauerte. Julian spottete nicht mehr über Joshua oder Abner Marsh. Er saß nur noch da und wartete, eingehüllt in Dunkelheit, das alterslose Gesicht bar jeden Ausdrucks, die Augen uralt und leer.
    Abner Marsh erkannte in diesem Moment, daß Joshua recht gehabt hatte. Julian war wahnsinnig oder noch schlimmer. Julian war jetzt ein Gespenst, und das Ding, das in seinem Körper lebte, war völlig gedankenlos.
    Trotzdem, so dachte Marsh, wird es am Ende siegen. Damon Julian mochte sterben, wie alle anderen Masken gestorben waren. Aber die Bestie würde weiterleben. Julian träumte von der Finsternis und vom Schlaf, aber das Raubtier konnte nicht sterben. Es war schlau, geduldig und stark.
    Abner Marsh blickte wieder zu dem Gewehr hinüber. Wenn er es doch nur in die Hand bekäme. Wäre er doch nur so schnell und stark wie vor vierzig Jahren! Wenn Joshua das Raubtier doch nur lange genug ablenken könnte. Marsh war weder schnell noch stark, und sein Arm war gebrochen und ein einziger Schmerz. Er konnte nicht aufspringen und sich die Waffe holen. Die Waffe lag so, daß die Mündung auf Joshua zielte. Wenn Marsh es also doch versuchen sollte, dann riskierte er sogar, seinen Partner zu töten. Nein, mit einem gebrochenen Arm war nichts anzufangen. Es wäre vergebens. Die Bestie war zu schnell.
    Ein Stöhnen drang über Joshuas Lippen, ein halb unterdrückter Schmerzensschrei. Er legte eine Hand auf die Stirn, dann beugte er sich vor und vergrub das Gesicht in den Händen. Die Haut war bereits rosig. Nicht mehr lange, und sie wäre rot. Dann schwarz und verbrannt. Abner Marsh sah geradezu, wie alles Leben aus ihm wich. Ein ungeheurer Wille mußte ihn an diesem Platz festhalten. Und plötzlich mußte Marsh etwas sagen. »Töte ihn!« rief er laut. »Joshua, geh aus dem Licht und töte ihn,

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