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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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es hoch, während Joshua sich zu der Opfergabe hinabbeugte.
    Abner Marsh trat schnell vor, stieß den Gewehrlauf gegen Julians Schläfe, zwischen die seidigen schwarzen Locken und drückte beide Läufe ab.
    Joshua machte ein verdutztes Gesicht, als wäre er plötzlich aus einem Traum herausgerissen worden. Marsh knurrte und ließ das Gewehr fallen. »Das hast du eigentlich gar nicht gewollt«, erklärte er Joshua. »Bleib stehen! Ich hol’ dir, was du brauchst.« Er ging hinter die Bar und fand die dunklen unetikettierten Weinflaschen. Marsh ergriff eine und blies den Staub weg. Dann schaute er auf und sah die offenen Türen und Fenster und alle die bleichen Gesichter. Die Schüsse, dachte er. Die Schüsse haben sie geweckt.
    Mit einer Hand hatte Marsh Mühe, den Korken aus der Flasche zu ziehen. Schließlich nahm er die Zähne zu Hilfe. Joshua York trat wie in Trance an die Bar. In seinen Augen ging der Kampf noch weiter. Marsh hielt ihm die Flasche entgegen, und Joshua packte seinen Arm. Marsh rührte sich nicht. Lange Zeit wußte er nicht, was geschehen würde, ob Joshua die Flasche nehmen oder ihm den Arm aufreißen würde. »Wir alle müssen unsere gottverdammte Wahl treffen, Joshua«, sagte er leise.
    Joshua schaute ihn eine halbe Ewigkeit lang an. Dann riß er Marsh die Flasche aus der Hand, legte den Kopf in den Nacken und setzte die Flasche an. Das dunkle Elixier floß gurgelnd heraus und rann ihm über das Kinn.
    Marsh holte sich eine zweite Flasche von dem widerlichen Zeug, schlug den Hals an der Kante der Marmorbar sauber ab und hob sie ebenfalls hoch. »Auf die gottverdammte Fiebertraum !« rief er.
    Sie tranken gemeinsam.

EPILOG
     
     
    D er Friedhof ist alt und zugewuchert und erfüllt von den Geräuschen des Flusses. Er befindet sich hoch oben auf einem Felsen, und unter ihm wälzt sich der Mississippi dahin, wie er es seit Tausenden von Jahren getan hat. Man kann an der Felskante sitzen, die Beine baumeln lassen und auf den Fluß hinausschauen und seinen Frieden und seine Schönheit genießen. Der Fluß hat von hier oben tausend Gesichter. Manchmal ist er golden und erfüllt vom Gesumm und Geschwirr der Insekten, die über die Oberfläche huschen, und das Wasser umfließt eilig und geschäftig halbversunkene Äste und Baumstämme. Zum Sonnenuntergang hin färbt er sich kurz bronzen und dann rot, und das Rot breitet sich aus und erinnert an Moses und an einen anderen Fluß. In klaren Nächten fließt das Wasser dunkel und rein wie schwarzer Samt, und unter der Oberfläche funkeln Sterne, und der Feenmond auf seinen Fluten ist manchmal heller und schöner als der echte Mond am Himmel. Der Fluß verändert sich auch mit den Jahreszeiten. Während der Frühjahrshochwasser ist er braun und schlammig und schiebt sich hinauf bis zu den Hochwassermarken an den Bäumen und Uferbefestigungen. Im Herbst treiben Blätter in tausend Farben auf der dunkelblauen Oberfläche. Und im Winter friert der Fluß, erstarrt zu Eis, und Schnee bedeckt ihn, und er verwandelt sich in eine weiße Straße, die kein Mensch zu betreten wagt, weil sie so hell ist, daß es in den Augen schmerzt. Unter dem Eis fließt das Wasser weiter. Und schließlich bäumt der Fluß sich wieder auf, und das Eis zerbricht mit furchtbarem Lärm.
    Alle Stimmungen des Flusses können vom Friedhof aus verfolgt werden. Von dort oben sieht der Fluß aus wie vor tausend Jahren. Selbst heute noch ist am Iowa-Ufer nichts anderes als Wald und hohe Felsgebirge. Der Fluß selbst ist still und friedlich. Vor tausend Jahren konnte man ihn stundenlang beobachten und nicht mehr sehen als einen einsamen Indianer in einem Kanu aus Birkenrinde. Heute sieht man dafür eine endlose Prozession von rundum geschlossenen Frachtkähnen, die von einem einzigen Dieselboot geschoben werden.
    Zwischen damals und heute gab es eine Zeit, als der Fluß vor Leben sprühte, als Rauch und Dampf und Pfeifen und Feuer überall zu sein schienen. Die Dampfschiffe sind nun alle verschwunden, der Fluß hat seinen Frieden gefunden. Den Toten auf dem Friedhof gefiele es heute nicht mehr. Zur Hälfte ruhen Flußleute da oben.
    Auch der Friedhof ist ein Ort des Friedens. Mittlerweile sind auch die Enkelkinder derer längst gestorben, die hier oben liegen. Besucher kommen nur selten, und die wenigen, die kommen, besuchen ein einziges unauffälliges Grab.
    Einige der Gräber haben große Grabsteine. Eines hat sogar eine Statue, einen großen Mann in der Kleidung eines

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