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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Faust blindlings zu. Der Konterschlag kam aus dem Nichts und riß ihm fast den Kopf von den Schultern. Für einen Moment lag er benommen da. Der Arm wurde ihm verdreht und brutal nach hinten gerissen. Marsh brüllte auf. Der Druck ließ nicht nach. Er versuchte sich auf die Füße zu kämpfen, und sein Arm wurde mit brutaler Gewalt nach oben gebogen. Er hörte ein Knacken, und er schrie erneut, lauter diesmal, als der Schmerz durch ihn hindurchraste. Er wurde rauh auf das Deck hinuntergestoßen und landete mit dem Gesicht auf dem vermoderten Teppich. »Kämpfen Sie ruhig, mein lieber Kapitän, und ich breche Ihnen den anderen Arm«, sagte Julians weiche Stimme. »Bleiben Sie still liegen.«
    »Weg von ihm!« sagte Joshua. Marsh hob den Kopf mühsam an und sah ihn in sieben Metern Entfernung auf dem Deck stehen.
    »Lieber nicht«, erwiderte Julian. »Rühr dich nicht, lieber Joshua. Wenn du einen Schritt in meine Richtung tust, dann reiße ich Captain Marshs Kehle auf, ehe du auch nur einen Meter näher gekommen bist. Bleib, wo du bist, und ich verschone ihn. Hast du mich verstanden?«
    Marsh versuchte sich zu rühren und biß sich vor Qual auf die Lippen. Joshua verharrte und hatte die Hände angriffsbereit vorgestreckt. »Ja«, sagte er, »ich verstehe.« In seinen grauen Augen lag ein tödlicher Ausdruck, der aber auch zugleich Unsicherheit signalisierte. Marsh schaute sich suchend nach seinem Gewehr um. Es lag knapp zwei Meter weit entfernt und deutlich außerhalb seiner Reichweite.
    »Gut«, sagte Damon Julian. »Warum machen wir es uns nicht gemütlich?« Marsh hörte, wie Julian sich einen Sessel heranzog. Er setzte sich dicht hinter Marsh. »Ich bleibe hier sitzen, im Schatten. Du kannst dich ja in den Lichtstrahl setzen, dem der Kapitän freundlicherweise Zugang zu diesem Raum verschafft hat. Mach schon, Joshua! Tu, was ich dir sage, es sei denn, du willst ihn sterben sehen.«
    »Wenn du ihn tötest, dann steht nichts mehr zwischen uns«, sagte Joshua. »Vielleicht bin ich bereit, dieses Risiko einzugehen«, erwiderte Julian. »Bist du es?«
    Joshua schaute sich langsam um, machte ein finsteres Gesicht, griff nach einem Sessel und schob ihn unter das zerschossene Oberlicht. Er nahm im Sonnenschein Platz, gut fünf Meter von ihnen entfernt.
    »Nimm den Hut ab, Joshua! Ich möchte dein Gesicht sehen.« York grinste verkniffen und schleuderte seinen breitkrempigen Hut quer durch den Raum.
    »Schön«, sagte Damon Julian, »jetzt können wir zusammen warten. Eine ganze Weile, Joshua.« Er lachte vergnügt. »Bis es dunkel wird.«

KAPITEL DREIUNDDREISSIG
 
An Bord des Raddampfers Fiebertraum Mai 1870
     
     
    S our Billy Tipton versuchte zu schreien. Nichts drang über seine Lippen außer einem leisen Wimmern. Er sog den Atem ein und schluckte Blut. Sour Billy hatte genug Blut getrunken, um den Geschmack zu kennen. Nur war es diesmal sein eigenes Blut. Er hustete und rang nach Luft. Er fühlte sich nicht besonders gut. Seine Brust schien in Flammen zu stehen, und dort, wo er lag, war es naß. Blut, mehr Blut. »Helft mir!« rief er matt. Niemand, der weiter als einen Meter von ihm entfernt gewesen wäre, hätte ihn gehört. Er erschauerte und schloß die Augen wieder, als wolle er einschlafen und so die Schmerzen vertreiben.
    Aber der Schmerz blieb. Sour Billy lag lange dort, die Augen geschlossen und abgehackt atmend, bis seine Brust vor Schmerzen schrie. Er konnte an nichts anderes denken als an das Blut, das aus seinem Körper herausfloß, an die harten Bretter unter seinem Gesicht und an den Gestank. Eine faulige Wolke hüllte ihn ein. Schließlich erkannte Sour Billy den Geruch: Er hatte sich in die Hose gemacht. Er fühlte nichts, aber er roch es. Er begann zu weinen.
    Am Ende schaffte Sour Billy Tipton auch das nicht mehr. Seine Tränen versiegten, und die Schmerzen waren zu schlimm. Er versuchte an etwas anderes zu denken, um die Schmerzen zu vergessen. Die Erinnerung stellte sich ein. Marsh und Joshua York und die Schrotflinte, die vor seinem Gesicht losgegangen war. Sie waren gekommen, um Julian zu töten, und er hatte versucht, sie aufzuhalten, doch diesmal war er nicht schnell genug gewesen. Er versuchte erneut zu rufen. »Julian!« Ein wenig lauter diesmal, aber immer noch nicht laut genug.
    Keine Antwort. Sour Billy Tipton wimmerte und öffnete wieder die Augen. Er war vom Sturmdeck herabgestürzt. Er sah, daß er auf dem Vorderdeck lag. Und es war heller Tag. Damon Julian konnte ihn gar nicht

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