Final Cut - Etzold, V: Final Cut
die Ohren fliegen. Betrachte die Umsatzbeteiligung von uns als ...«, er schien zu überlegen, »Risikoprämie.«
Torino kniff die Lippen zusammen. So musste es wohl sein, dachte er, umsonst ist bekanntlich der Tod.
» Welche Umsatzbeteiligung schwebt euch vor?«, fragte er. Erste Verhandlungsregel: Immer den anderen das erste Angebot machen lassen.
»Wir brauchen die Zuschauerzahlen, die ihr auch ohne uns erreichen könntet, die möglichen Werbeeinnahmen, die durchschnittliche Dealgröße der Plattenfirmen und Star-Schmieden, die für Andira bieten würden, sowie den künftigen Geschäftsplan für die Expansion der Firma.« Sein Blick blieb in der Mitte des Raumes hängen, ohne irgendetwas zu fixieren. »Habe ich alles? Ich glaube, ja.«
»Wann könnt ihr mir eure Einschätzung liefern?«, fragte Torino.
»Wann immer du uns die Daten lieferst.«
Torino blickte auf die Uhr und ahnte schon, dass es auch diese Nacht nur wenig Schlaf für ihn geben würde. »Am besten so schnell wie möglich?«
Myers nickte. »Schick es mir und meiner Assistentin am besten noch heute Nacht, dann hast du morgen den Entwurf einer ersten Absichtserklärung und nach der Show einen Vorvertrag von unseren Anwälten.«
Torino presste die Lippen zusammen, halb vor Freude und halb in Sorge. Endlich war der Deal da, doch er und Jochen würden sich die ganze Nacht noch einmal an die Prognosen setzen müssen, die Torino gerade mal eben so in den Raum gestellt hatte. Andererseits schien Myers endlich anzubeißen. Eine Premiere auf der Landing Page von Xenotube mit mehr als zehn Millionen Besuchern in Deutschland – das war zu schön, um wahr zu sein.
»Kriegst du alles«, sagte Torino und streckte die Hand aus. Myers ergriff sie mit festem Druck.
» Shebay auf der Landing Page von Xenotube?«, fragte Torino, als wollte er einen mündlichen Vorvertrag aufsetzen.
»Nicht unwahrscheinlich«, sagte Myers und klopfte Torino auf die Schulter. »Versuch, diese Nacht schneller zu schlafen, und schick mir alles, so schnell es geht.«
***
Shebay auf der Landing Page von Xenotube.
Für Menschen mit scharfem Gehör waren diese Worte auch vier Tische weiter noch zu hören. Zum Beispiel für den Mann, der als einer der letzten Gäste bei einem Glas Wasser am Tisch saß. Ein großer Mann mit kantiger Figur und langsamen, geschmeidigen Bewegungen, die sich innerhalb kürzester Zeit in explosive Brutalität verwandeln konnten. Ein Mann mit kurzen blonden Haaren und einer Brille mit mattem Edelstahlrahmen, der die drei Männer am Tisch aufmerksam, aber unauffällig beobachtete, während er seine linke Hand, die ein wenig zitterte, mit der rechten festhielt.
21.
Clara trank noch einen Schluck Whisky und setzte sich wieder an den Rechner, wo das tränenüberströmte Gesicht des Mädchens und das in dämonischer Ruhe verharrende Messer im Standbild festgehalten waren.
Sie drückte erneut auf den PLAY-Knopf – und zuckte zusammen, als das Messer, scheinbar ohne Vorwarnung, wieder über den Hals des Mädchens fuhr, wie die Augen ins Leere starrten, und dann, nach einer Sekunde – die ihr wie eine Ewigkeit erschien –, das Blut aus dem langen Schnitt lief, erst langsam, als würde es sich unsicher in die neue Umgebung tasten, dann schneller, kräftiger, bis der Kopf des Mädchens nach vorne sank, das Messer und die schwarzen Handschuhe aus dem Bildrahmen verschwanden und der Monitor dunkel wurde.
Clara trank den Rest des Whiskys in einem Schluck und knallte das Glas auf den Tisch.
Sie hatte irgendetwas gesehen.
Irgendetwas, das ihr vorher nicht aufgefallen war.
Wenn ich es mir noch ein paar Mal anschaue, werde ich wahnsinnig , ging es ihr durch den Kopf. Aber sie musste wissen, was da war.
Die eine Sekunde , dachte sie. Die Verzögerung zwischen der Tat und ihrem Ergebnis. Wenn es irgendwo ist, dann da.
Sie ließ den Film zurücklaufen bis zu der Stelle, an der das Messer aufblitzte, und ließ ihn dann langsam, in Zehntelsekundenschritten, vorwärtslaufen.
Sie wusste nicht, ob die Zeitlupenaufnahme des Mordes sie eher an eine schlechte Parodie erinnerte oder ob die quälende Langsamkeit alles nur schlimmer machte. Doch dann sah sie es wieder. Da blitzte etwas auf. In Weiß. Zwischen den einzelnen Bildern. Sie verlangsamte den Film noch mehr, sah ein Standbild in das andere übergehen.
Wieder das Weiße.
Und dann erkannte sie es.
Es war ein Name. Und eine Zahl. Ein Name und eine Zahl, die kurz in das Bild eingeblendet wurden und einen Lidschlag
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