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Finale Mosel

Finale Mosel

Titel: Finale Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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dann den eigenen füllte. Am nächsten Topf ließ sich Sacher reichlich Bratensoße geben. Die Männer fanden einen freien Stehtisch und bekamen zwei große Gläser Bier, Brot stand bereits auf dem Tisch.
    »Das ist richtig gut.« Tiefenbach wischte sich mit einem Taschentuch Soße von der Oberlippe.
    »Die Spätzle?« Der Journalist wiegte skeptisch den Kopf.
    »Nein, essen an sich ist gut, um wieder runterzukommen. Das stelle ich immer nach der Vorstellung fest.«
    »Interessant.«
    »Auf jeden Fall mehr als Alkohol. Aber es gibt noch andere Tricks.« Tiefenbach sprach mit vollem Mund. »Später, hinter der Bühne, hab’ ich es zu Ende gebracht.« Tiefenbach schaute ernst.
    »Klytämnestra umgebracht?«, versuchte es Sacher.
    Die Musiker setzten sich mit ihren barocken Klängen wieder durch, während die Besucher mit Essen beschäftigt waren.
    »Ja, das hört sich vielleicht unsinnig an. Ich hab’ die Bewegungen ausgeführt, obwohl es niemand im Publikum sehen konnte, wie ich sie tötete, aber ich musste das zu Ende bringen.« Tiefenbach sog schlürfend eine besonders lange Nudel ein, tupfte sich den Mund ab und trank einen großen Schluck Bier. Er hatte Vertrauen zu dem Journalisten. Sie hatten sich seinerzeit in München auch über private Dinge unterhalten, und seine Offenheit war nicht missbraucht worden. Der Mann hatte nicht nur Interesse, sondern besaß ein breites musikalisches Wissen. Und obendrein konnte er noch schreiben.
    »Was machen Ihre Diätpläne?« Tiefenbach erinnerte sich, dass sie damals in München über ihre augenscheinliche Gemeinsamkeit, das Übergewicht, gesprochen hatten, gegen das sie beide etwas unternehmen wollten.
    »Wurden noch zurückgestellt.« Sein Gegenüber lüftete schmunzelnd einen Aufschlag seiner Jacke. Darunter wölbte sich ein stattlicher Bauch. »Aber Sie müssen mir Ihr Rezept verraten.«
    »Diese Diät möchte ich Ihnen nicht empfehlen …«
    Sacher nickte und schob seinen Teller etwas zur Seite, als ein Paar mit Tellern und Gläsern in den Händen freundlich lächelnd an ihren Tisch trat. Der Mann trug einen hellbeigen dreiteiligen Anzug, sie ein ärmelloses tief dekolletiertes Kleid. Die Gläser fanden kaum mehr Platz zwischen den vier Tellern.
    »Sie haben uns einen unvergesslichen Abend beschert«, die großen braunen Augen der Frau strahlten Tiefenbach an, ihr deutlich älterer Begleiter nickte.
    Tiefenbach schaute zum Eingang, durch den gerade ein Klavier hereingeschoben wurde. Lange würde er nicht mehr in der angenehmen Gesellschaft des Journalisten bleiben können. Er spürte die Blicke von den Nachbartischen. Die Fotografen nutzten ebenfalls die Gelegenheit, sich am Buffet zu stärken.
    »Der Beifall ist groß«, flüsterte Tiefenbach dem Journalisten zu. »Alle finden einen wunderbar, und auch auf der Party fühlt man sich wunderbar. Aber danach ist man allein, wenn einen niemand auffängt, allein im Hotelzimmer, und das Adrenalin noch in den Adern pulsiert. Früher hat es geholfen, die Minibar zu leeren und sich noch die eine oder andere Flasche kommen zu lassen.«
    »Und Ihre Frau?«
    »Die ist da … also nicht hier. Nach dem ganzen Presserummel war die Anspannung für sie zu groß. Deshalb wartet sie im Hotel auf mich. Sie hatte Angst, mich mit ihrer Nervosität anzustecken.«
    »Soll ich Sie zurück in die Stadt mitnehmen?«
    »Danke, es gibt einen ausgezeichneten Fahrdienst, und ich muss hier noch die Runde machen.«
    Tiefenbach würde sich gleich am Tisch des Oberbürgermeisters und der Kulturdezernentin blicken lassen, wo sich Hertha, Johanna und natürlich auch Kehlheim bereits eingefunden hatten. Ein paar Dutzend Hände musste er wohl noch schütteln. Es gehörte zu seinem Image als volksnaher Künstler, der er absolut nicht war. Als Bariton war René Tiefenbach nicht nur Sänger, sondern auch ein Schauspieler, der sich gesellig geben konnte.
    Gleich würde er diesem unsäglichen Gewäsch zuhören müssen. Aber es gab etwas, das er noch mehr hasste: Auf Partys um gesangliche Kostproben gebeten zu werden. Er war nicht der Typ, der sich locker ans Klavier setzte und Arien schmetterte. Jetzt musste er erst einmal pinkeln.
     
    Draußen war es abgekühlt. Jedenfalls kam es ihm so vor, als er am V.I.P.-Zelt vorbei zu den Toiletten ging, die sich vor der breiten Einfahrt zum Amphitheater befanden. Als er sich den blauen Häuschen näherte, klangen die ersten Tropfen auf dem Blech der Dixiklos. Tiefenbach fuhr sich über die Stirn. Sie war schweißnass.

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