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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Prolog
    Lübz, 1684
    V ater!«, hallte es klagend über den Fronhof.
    Johann Habrecht hatte sein Pferd gerade in den Stall gebracht, als ihm seine jüngste Tochter weinend durch das Hoftor entgegenstürmte. Ihre Kleider waren schmutzig, ihre Haube hatte sie verloren und die rabenschwarzen Haare klebten an ihrem Gesicht fest. Tränen liefen ihr über die rotglühenden Wangen.
    »Was ist passiert?«, fragte der bärtige Mann, ging in die Hocke und fing das Mädchen mit seinen starken Armen auf. Sie schmiegte sich an das Leder seines Wamses und schluchzte und zitterte so sehr, dass sie seine Frage zunächst nicht beantworten konnte.
    Sorge stieg in Habrecht auf. War einem ihrer Geschwister etwas zugestoßen? Er hatte sie auf ihr Drängen mit ihren Brüdern in die Stadt gehen lassen, wo die Jungs etwas besorgen sollten. Oder war es etwas ganz Harmloses? Hatten die beiden sie etwa geärgert? Oder jemand anderes?
    »Nun sag schon, Lenchen«, redete er leise auf sie ein und wiegte sie sanft. »Was ist geschehen?«
    »Die Leute«, presste sie schließlich hervor. Heftiges Schluchzen hinderte sie daran weiterzusprechen.
    »Was ist mit den Leuten?«
    »Sie haben … mich geschubst … sie haben gesagt … ich sei ein Krähenbalg.«
    Habrecht war sprachlos. Als Scharfrichter der Stadt Lübz war er es gewohnt, dass die Leute ihn missachteten und Verleumdungen über ihn verbreiteten. Zaubern sollte er können, aus dem Samen Gehenkter Alraunen züchten und Gold mit Wünschelruten finden.
    Er war es gewohnt, dass man seine großen Töchter als Huren beschimpfte, obwohl sie doch tugendhafte Mädchen waren. Und er war es gewohnt, dass seine Söhne mit blutigen Nasen nach Hause kamen, weil sie jemandem, der ihre Eltern oder ihre Geschwister beleidigt hatte, ordentlich die Dummheit aus dem Pelz geprügelt hatten.
    Doch dass seine Jüngste, die mit ihren sechs Jahren noch nicht viel von der Welt und deren Grausamkeiten wusste, derart angegangen wurde, erregte den Zorn in ihm. Er wollte das Mädchen gerade nach ihren Peinigern fragen, da traten seine beiden Söhne ebenfalls durch das Tor.
    Hinrich war mit siebzehn Jahren der Älteste, Joachim war vierzehn. Beide Burschen hatten die kräftige Statur ihres Vaters geerbt und auch dessen helle Haare.
    »Gott sei Dank, da ist sie!«, rief Hinrich, und auch Joachim war erleichtert. Beide Jungs hatten Risse in ihren Kleidern, ihre Gesichter waren schmutzig, das Knie des jüngeren aufgeschlagen. Es war offensichtlich, dass sie in eine Rauferei verwickelt gewesen waren.
    »Was ist passiert?«, fragte Habrecht, richtete sich auf und hob seine Tochter auf den Arm.
    »Ein paar Kinder sind vom Sohn des Bürgermeisters angestiftet worden, Annalena zu ärgern«, berichtete Hinrich. »Als sie sich wehrte, kamen ein paar Männer, haben sie in den Dreck gestoßen und beschimpft.«
    »Du meinst, erwachsene Männer haben sich an eurer Schwester vergriffen?« Während er sprach, fühlte er, wie sich Annalenas kleine Finger in sein Lederwams krallten.
    »Es waren die Knechte des Bürgermeisters«, antwortete Joachim. »Annalena hat dem Bürgermeistersohn eine Maulschelle gegeben, so fest, dass er angefangen hat, zu flennen. Da haben sie sich eingemischt. Sie haben sie Krähenbalg genannt, sie geschubst, und ehe wir ihr helfen konnten, ist sie weggerannt.«
    Sosehr ihn das Gehörte empörte, so stolz machte es Habrecht, dass sich sein Mädchen gewehrt hatte. Er kannte den verwöhnten Sohn des Bürgermeisters, und auch wenn Annalena diejenige war, die den Kürzeren gezogen hatte, diese Maulschelle hatte er weg. Wenn die Knechte seines Vaters nicht in der Nähe waren, würde er Annalena gewiss nicht so schnell wieder ärgern.
    »Habe ich euch nicht gesagt, dass ihr auf sie aufpassen sollt?«, fragte Habrecht trotzdem streng.
    »Das haben wir, Vater«, rechtfertigte sich Hinrich. »Wir haben nur kurz mal weggesehen und da war es geschehen. Aber wir haben dafür gesorgt, dass die anderen es bereuen.«
    Die beiden Jungs sahen einander an und grinsten. Angesichts ihres Aufzuges konnte sich Habrecht schon denken, was den Knechten geschehen war.
    »Wir haben diese Mistkerle in den Staub befördert«, sagte der Älteste dann auch, der in der Statur seinem Vater kaum noch nachstand. »Hinnerk hat Blut und Zähne gespuckt. Wenn er das nächste Mal was sagt, wird ihn keiner verstehen.«
    »Und Karl wird heut Abend nicht mehr sitzen können«, fügte Joachim hinzu und warf sich prahlerisch in Positur. »Hätte ich noch

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