finde-mich-sofort.de (German Edition)
hoher Niedlich-Stimme.
»Hallo Tati, hier ist deine liebe Schwester!«
»Was gibt’s?«, belle ich kurz und knapp und ärgere mich gleichzeitig über meine Enttäuschung. »Tut mir leid, Alu, hatte Carsten erwartet! Geht es dir gut? Was Neues von Equi ?«
Ich ahne, dass die letzte Frage ein zu großes Zugeständnis war, denn sofort bedenkt mich mein Schwesterherz mit einem euphorischen Redeschwall.
»Er war mehrere Tage bei mir. Es war großartig und so schön normal. Wir haben uns nicht genervt, sondern gemeinsam gekocht …«
Ich halte den Hörer etwas vom Ohr weg. Sie schreit ja fast vor Glück. Als ich mich wieder auf Alexandras Beschreibung ihres Liebeswochenendes konzentriere, habe ich nichts verpasst, »… gelesen, Sex gehabt, einfach fantastisch!«
»Wann willst du ihn mir denn mal vorstellen?«
»Soweit ist er noch nicht. Du weißt doch, er ist sehr introvertiert.«
»Immer noch? Nach so langer Zeit? Was ist das für ein Mann? Ist dir das nicht langweilig, immer nur zu zweit?«
»Mach dich nicht heiß, wird schon. Ich bin eben verliebt, und das war ja der Sinn unserer Suche im Netz, oder?«
»Ich bin auch verliebt, aber so bekloppt unsicher.« Meine Stimme klingt schon wieder weinerlich.
»Sieh es doch mal so«, setzt sie mit ruhiger Stimme im mittleren Stimmbereich zu einer Antwort an. Wahrscheinlich so eine Deeskalationsübung aus ihrem Psychologieunterricht, um meine leichte Hysterie zu dämpfen. »Die vergangenen zweieinhalb Jahre haben uns auch Einiges gebracht. Wir wissen viel besser, was wir wollen und was uns gut tut. Du wirst zukünftig eine entspannte und durch das Singleleben gestärkte Partnerin für einen Prinzen deiner Wahl sein. Das ist doch auch was.«
»Du hast ja ’ ne tolle Art, Trost zu spenden! Du kannst mir eine weitere drohende Enttäuschung so nicht schönreden!«, ereifere ich mich.
»Tja, Tati, ab vierzig ist es eben nicht mehr so leicht, einen passenden Mann zu finden! Manchmal glaube ich, den Jackpot zu knacken, ist einfacher.«
»Wird ja immer besser, du Superpsychologin!« Ich bin richtig sauer. »Lass mich jetzt auf den Anruf von Carsten warten, ja?«
»Ich drück dir die Daumen. Viel Glück!«
Stille. Warten. Langeweile.
Ich bin allein mit mir, meinem Fernseher, den Telefonen und dem Gedankenkarussell im Kopf.
Das Karussell dreht sich kunterbunt auf einer Sommerblumenwiese. Ich sehe mich in Zeitlupe durchs Gras, direkt in die starken Arme meines schönen, lächelnden Prinzen hüpfen. Er sieht toll aus mit seinem weißen Hemd, das er locker über der Jeans trägt. Er umarmt mich und unsere Münder vereinigen sich zu einem zarten, leidenschaftlichen Kuss. Carsten schaut mir tief in die Augen. Ich betrachte sein Gesicht: seine Stirn, die immer so aussieht, als sei sie sorgenvoll in Falten gelegt, seinen Mund, der oft mit nur einem heruntergezogenen Mundwinkel schief grinst, und seine grüngrauen Augen, die jetzt plötzlich meinem Blick ausweichen. Er fasst mich an meine Schultern, hüstelt verlegen und sagt mit rauer Stimme: »Tatjana, du bist ein tolle Frau!« Mein Augenaufschlag – so zwischen liebem Mädchen und verruchtem Vamp – klappt verdächtig gut. *schiel verliebt* »Du wolltest es wissen, und ich sage es dir jetzt: Du bist mir zu alt!«
Was ist denn das für ein blöder Traum! Mein Herz schlägt in Halshöhe. Lautes Gewehrknattern weckt mich aus meinem Halbschlaf. Ich schrecke hoch, und die Katze springt beleidigt vom Sofa. Nur der Fernsehbildschirm beleuchtet die sonst dunkle Küche. Die Digitaluhr am Herd zeigt 1:30. Hektisch greife ich nach meinen Telefonen und checke, ob der Akku noch funktioniert und ich auch nichts verpasst habe. Nichts.
Müde und lustlos zappe ich mich durch die Programme. Dank des Digitalreceivers kann ich immer sofort lesen, was auf dem jeweiligen Sender läuft: »Tödliche Formel« – zapp – »Meuterei im Schlangenfluss« – zapp – »Tödlicher Tornado« – zapp – »Die Killer« – zapp. Nur Mord und Totschlag, egal ob in privaten oder öffentlich-rechtlichen Sendern, stelle ich fest und suche im Videotext nach dem Wetter in Österreich. Schneefall. Ob Carsten gut angekommen ist? Bestimmt vermisst er mich. Bestimmt. Oder?
Nein, Mama, ich will nicht allein bleiben! *grrr* Außerdem hat er mich noch nie mit dem Geschirrspüler geweckt, also wird er sich auch melden!
Ich suche unkonzentriert weiter nach einer geeigneten Sendung und finde Quizsendungen, die mich zum Anrufen animieren wollen;
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