Finger, Hut und Teufelsbrut
Zukunft.«
»Ja, ich fand es auch an der Zeit, die üblichen Rollenmuster aufzubrechen. Wir leben in einem neuen Jahrtausend!« Olaf nickte gewichtig.
Aber natürlich war die Kündigung die rein einseitige Entscheidung von Susanne gewesen, die nicht wollte, dass ihr Olaf jemals wieder in Kontakt mit Silke Genschwein kam. Überhaupt war das Thema Silke Genschwein für sie noch lange nicht erledigt.
Seifferheld kannte seine Tochter und wusste, wie der Hase gelaufen sein musste. Doch nahm er mit Freude zur Kenntnis, dass Olaf keine Veilchen und keine Blutergüsse mehr hatte.
»Ich soll schon morgen entlassen werden«, sagte er zu seinem Schwiegersohn. »Wir sehen uns?«
»Wir sehen uns!« Olaf trug Ola-Sanne in den Flur.
Susanne beugte sich noch einmal über ihren Vater.
Seifferheld war gerührt. Es musste sie sehr erschüttern, ihn wieder in einem Krankenbett zu sehen. »Meine Kleine …«, sagte er und wollte sie in den Arm nehmen.
»Jetzt nicht, Paps«, flüsterte Susanne. »Hör mal, du kennst dich doch aus: Wie viel kriege ich als unbescholtene Ersttäterin aufgebrummt, wenn ich eine petzende Proletenmaus grün und blau prügele? Komme ich da mit Bewährung davon?«
Pflicht ist Pflicht, und Schnaps ist Schnaps
»Ich sitze hier bei Siegfried Seifferheld, dem Mann der Stunde! Herr Seifferheld, eben noch haben Sie dem abgebrühtesten Verbrecherpaar seit Bonnie und Clyde Paroli geboten und jetzt sitzen Sie schon wieder über Ihrer Stickarbeit. Wie fühlen Sie sich dabei?«
Frau Söback hielt ihm das Mikrofon vor den Mund.
Die Wahrheit? Er fühlte sich scheiße, seine Hüfte brannte wie Feuer, und er wollte nur noch schlafen. Ihm war nicht nach einem Interview zumute gewesen. Aber Frau Söback hatte sich nicht abwimmeln lassen. »Herr Seifferheld, Sie arbeiten jetzt fürs Radio.
The show must go on
«, hatte sie gesagt, Dr. Wong aus dem Krankenzimmer geworfen und sich auf Seifferhelds Bett gepflanzt.
»Ich sitze doch gar nicht über einer Stickarbeit«, hielt er dagegen.
»Für unsere Hörer und Hörerinnen ist das aber ein schönes Bild, das ihnen Mut macht, nach schlimmen Ereignissen wieder zurück ins Leben zu finden«, erwiderte Frau Söback. »Antworten Sie bitte nur auf meine Fragen, dann muss ich hinterher nicht so viel schneiden.«
»Aber …«, fing Seifferheld erneut an.
Frau Söback, die ihm seiner Meinung nach längst nicht genug Mitgefühl entgegenbrachte, schaltete das Aufnahmegerät aus und schaute gereizt. »Herr Seifferheld, Sie müssen jetzt ganz Profi sein. Es ist Ihnen doch ernst mit Ihrer Aufgabe als Stick-Kolumnisten fürs Radio, oder etwa nicht?«
Seifferheld nickte ergeben.
Frau Söback strahlte. »Na also, habe ich Sie doch richtig eingeschätzt! Dann los, fangen wir noch mal an.« Sie räusperte sich und drückte die Aufnahmetaste.
»Herr Seifferheld, erzählen Sie unseren Hörerinnen und Hörern, wie es ist, wenn die Hand, an der noch das Blut eines Mörders klebt, zu Nadel und Faden greift …«
Seifferheld seufzte.
Et es, wie et es, et kütt, wie et kütt, und et hätt noch immer joot jejange.
»Aber meine Herren, so geht das nicht, Sie überfordern den Patienten!«, rief Dr. Wong.
Die Jungs von der ehemaligen VHS -Männerkochkursgruppe waren geschlossen aufmarschiert, nur Klaus fehlte. Dafür war der junge Sunil Gupta mit von der Partie, um Seifferheld zum Abschied seine soeben veröffentlichte, erste CD mit italienischen Arien zu schenken, bevor er als Tenor an die Stuttgarter Oper ging.
Bocuse hatte sein Foto von Jamie Oliver mitgebracht. Es war nicht ganz klar, ob er glaubte, dass es heilende Kräfte besaß. Aber die Geste rührte Seifferheld.
»Mensch, Siggi, du hast uns vielleicht einen Schrecken eingejagt«, sagte Klempner Arndt.
Eduard, Gotthelf und Schmälzle nickten.
»Alles halb so wild«, wehrte Seifferheld ab. »Wo ist Klaus?«
»Einer muss doch im Bistro bleiben«, erklärte Bocuse.
Bocuse, der immer noch im Loft von Klaus pennte, fühlte sich als Patron von
Chez Klaus
pudelwohl. Was in nicht unerheblichem Maße daran lag, dass Klaus die ganze Arbeit erledigte und er sich – auf einem der Barhocker sitzend, Pernod schlürfend, mit den Gästen plaudernd – einen schönen Lenz machte.
»Läuft euer Bistro denn gut?« Seifferheld staunte.
»Mais oui, mehr als gut!« Bocuse freute sich. »Heute haben wir eine geschlossene Gesellschaft. Ich glaube, es sind Rotarier. Oder Freimaurer. Oder so.«
Bei den sogenannten »Freimaurern« handelte es
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