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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriane Angelowski
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angelegt war, einundfünfzig Zentimeter, bei einem Gewicht von 2.850 Gramm. Kostenfaktor: neunundsiebzig Euro inklusive Mehrwertsteuer. Eine Baby-Puppe, nach Fertigstellung von einem echten Säugling kaum zu unterscheiden. Unikat. Herstellungsland: USA. Handarbeit.
    Für viele Menschen einfach ein Hobby, Zeitvertreib ohne weitere Ambition. Andere betrachteten Reborn als Lebensinhalt, Seelentröster oder sogar Kinderersatz. So oder so offenbar ein lukratives Geschäft. Manche Modelle kosteten über zweihundert Euro, trotzdem gab es Lieferengpässe wegen der großen Nachfrage.
    Norma drehte die Heizung hoch, auch wenn sie Angst vor der nächsten Kostenabrechnung hatte, und breitete das Reborn-Set auf dem Esstisch aus. Plastikbecher mit verschiedenen LCD-Skin-Acrylfarben, die speziell zum Anmalen von Vinylbabys entwickelt worden waren, Soft-Granulat, Füllwatte, Stift für die Nagelzeichnung, Bastelkleber und ein Präzisionsmesser. Der zwanzig Zentimeter lange Wimpernstrang und die Mohairperücke lagen ebenfalls griffbereit. Den Rohling zu modellieren würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Norma schreckte das nicht. Zeit besaß sie im Überfluss und investierte sie gern.
    Als alle Utensilien an ihrem Platz standen, nahm sie das Tuch von den Körperteilen. Für einen Moment wurde ihr etwas flau im Magen, doch diesmal war sie besser vorbereitet.
    Es ist eine Puppe. Kein echtes Baby.
    Um sich selbst zu beweisen, dass sie die ganze Sache konsequent und möglichst unemotional angehen konnte, stellte sie sich gleich einer der schwierigsten Aufgaben. Sie musste die Nasenlöcher des Vinylbabys und dessen Augen öffnen.
    Doch trotz stärkender Instruktionen sträubte sich Norma, in die weiche Puppenhaut zu schneiden, und schlich in der Wohnung umher. Du musst es tun. Der Rohling ist ganz und gar auf dich angewiesen. Nur du kannst ihn zum Leben erwecken.
    Nach mehreren Ermutigungen und einem Whiskey-Soda gelang es Norma schließlich, den Kopf des Kleinen in die Hände zu nehmen. Laut Anleitung verwendete man zum Ausbohren der Nasenlöcher am besten einen Akkubohrer. Hierfür spannte sie den Kopf vorsichtig in einen Schraubstock, den sie eigens für die Prozedur angeschafft hatte, und schaltete einen hellen Strahler ein.
    Das Surren des Bohrers erinnerte sie an ihren letzten Zahnarztbesuch. Mit zittriger Hand konzentrierte sie sich auf die Stupsnase und höhlte die Löcher aus. Viermal musste sie ihre feuchten Hände trocknen, bis es geschafft war. Die leicht ausgefransten Ränder glättete sie mit einer Rundfeile. Erleichtert, zufrieden und ermutigt widmete sich Norma ohne Pause nun den Augen. Bevor sie der Mut verließ, setzte sie das scharfe Bastelmesser an. Aber ihre Hand gehorchte nicht.
    Es war eine Sache, dem Kleinen die Nasenlöcher zu öffnen, eine ganz andere war es, in die Lider zu schlitzen. Wiederholt wollte Norma beginnen, aber sie schaffte es nicht. Seufzend gab sie schließlich auf, entschied, den Rohling zu einem schlafenden Baby zu modellieren und damit die Aufgabe, der sie sich momentan nicht gewachsen fühlte, zu umgehen.
    Erlöst durch ihren Einfall legte sie das Bastelmesser zur Seite. Ein schlummerndes Baby konnte ebenso niedlich aussehen. Das bestätigten auch die Beiträge im Internet.
    Stolz und ermutigt durch den ansonsten geglückten Start ging Norma in die Küche, ließ handwarmes Wasser in eine Plastikschüssel laufen, gab etwas Babyschaum hinein und wusch die einzelnen Vinylteile sorgfältig mit einem Schwamm. Voller Hingabe reinigte sie Falten, Löcher, Kniekehlen, Armbeugen, Zehen und die kleinen speckigen Finger. Danach spülte sie alle Teile mit klarem Wasser ab und stellte sie zum Abtropfen kopfüber auf zwei Küchentücher. Anschließend wickelte sie Kopf, Beine und Arme in einen kuscheligen dunkelblauen Bademantel mit Bärchenmotiv.
    Entspannt brühte sie koffeinfreien Kaffee auf und schmierte drei Leberwurstbrötchen. Sie aß mit Heißhunger und trank zwei Tassen Kaffee, bevor sie Einweghandschuhe überzog, die eine erneute Einfettung der Vinyleinzelteile verhindern sollten, ehe sie dazu überging, den Rohling gründlich mit einem Fön zu trocknen.
    Überglücklich betrachtete Norma schließlich ihr Werk. Beine, Arme und Kopf steckten jetzt auf dünnen Holzstangen. Über Nacht mussten sie komplett trocknen.
    Erst am nächsten Tag konnte sie damit beginnen, die Real-Skin-Farben aufzutragen. Du schaffst es. Das wird schon . Mit Vorfreude löschte Norma weit nach Mitternacht das Licht. Als sie im

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