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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriane Angelowski
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musste lächeln, als er den Jungen wiedersah. Jan-Luca kämpfte am Strand mit seinem Drachen, dessen Schnur sich verheddert hatte. Allein. Der Pagenkopf war nirgends zu sehen. Es war überhaupt niemand sonst am Strand. Ein Adrenalinstoß durchfuhr Ronnys Körper. Sollte er den Knirps einfach packen? Konnte es so leicht sein, seinen Plan in die Tat umzusetzen?
    Mit klopfendem Herzen überquerte er den schmalen asphaltierten Weg und schob seine Hände in die Jackentaschen. Seine Linke umschloss eine kleine Plastiktüte. Darin lag das in Chloroform getränkte Stofftaschentuch. Die Finger seiner rechten Hand spielten mit dem brüchigen Leder einer Hundeleine. Die meisten Kinder mochten Tiere, und diesen Umstand wollte Ronny nutzen.
    Jan-Luca anzusprechen konnte nicht schwer sein, aber wie sollte er ihn in den Wagen kriegen? Seine Karre stand zwar in der Nähe, doch wie brachte man einen Jungen dazu, mitzugehen? Ihm wurde klar, dass sein Plan Lücken hatte. Trotzdem instruierte er sich, es wenigstens zu versuchen.
    Betont langsam schlenderte Ronny über den feuchten Sand, die Umgebung fest im Blick, während sein Gehirn fieberhaft arbeitete. Alles in Ordnung. Sie waren immer noch allein im Nebel, er und der kleine Drachenbändiger.
    Nicht zu nah ran, bloß nicht erschrecken. Stell ihm einfach eine Frage, die meisten Menschen haben dann das Gefühl, antworten zu müssen. Kinder werden dazu erzogen. Möchtest du noch Erbsen? Nein danke, Mutter.
    Ronny begann unter seiner Wollmütze zu schwitzen. Vorsichtshalber blieb er einige Meter vor dem Jungen stehen, die Lederleine in der Hand. Jan-Luca schien völlig in den Kampf mit der Drachenleine versunken.
    Er räusperte sich. »He Kleiner, hast du meinen Hund gesehen?«
    Der Junge reagierte nicht.
    Ronny spürte eine leichte Verstimmung, als er einen weiteren Schritt auf den Knirps zumachte. Unhöflichkeiten gingen ihm gegen den Strich. Dieses Kind beantwortete offenbar nicht unbedingt gestellte Fragen. Konzentriert versuchte der Kleine, die Schnur seines Drachens zu entwirren, ein ziemlich sinnloses Unterfangen, wie Ronny jetzt sah. Die Kordel war voller Knoten.
    Wind frischte auf.
    Du kennst seinen Namen, du musst ihn mit seinem Namen ansprechen. »Hallo, Jan-Luca«, sagte er ruhig und lächelnd. »Mein Collie ist verschwunden, und ich habe drei Hundebabys im Auto, die brauchen dringend Milch. Kannst du mir helfen, meinen Hund zu suchen?«
    Jan-Luca sah auf, kniff die Augen zusammen. Vorn fehlten zwei Schneidezähne. Die rote Pudelmütze hing über den Augenbrauen. Ronny klopfte sich innerlich auf die Schulter. Woher nahm er nur die Einfälle? Collie. Hundebabys. Nichts von dem hatte er sich vorher zurechtgelegt.
    »Wie heißt dein Hund?«
    Ronnys Lächeln erstarb. Zum einen fehlte das höfliche Sie, Erwachsene duzte man nicht einfach, und dann wusste er ehrlich gesagt nicht, was er antworten sollte. Welche Namen hatten denn Hunde?
    »Du bist ziemlich dick«, stellte Jan-Luca fest.
    Ronny erstarrte. Fettklops . Er zog das Taschentuch aus dem Beutel.
    »Jan-Luca!« Die Stimme klang scharf.
    Ronny fuhr herum. Der Pagenkopf stand auf der obersten Treppenstufe direkt vor dem »Leuchtfeuer«. Ihr übergroßes Regencape flatterte im Wind. »Jan-Luca, komm bitte her! Wir müssen los.«
    Der Junge gehorchte sofort, lief der Frau entgegen, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Fettklops, so ein unverschämter Bengel. Ronny hätte ihm zu gern sein vorlautes Maul gestopft. Der Hosenscheißer hatte unheimliches Glück, dem hätte er Manieren beigebracht. Ronny schob das Taschentuch in die Jacke. So ein verdammter Mist. Das hätte etwas werden können, das Bürschchen hatte eine Strafe verdient. Ronny rügte sich, schimpfte sich zögerlich, tölpelhaft, phantasielos. Wenn er weiter so stümperhaft vorging, konnte er die Sache genauso gut auch ganz sein lassen. Für einen Moment stand er unschlüssig da, atmete tief durch und versuchte, seine Gefühle in den Griff zu bekommen.
    Fettklops. So ein kleiner Pisser.

Cuxhaven-Sahlenburg
     
    Coach Dieckmanns jagte die Mädels beim letzten Außentraining des Jahres im Kommandoton über den Rasen. Eltern beschwerten sich deswegen, schließlich trainierte Dieckmanns nicht die Bundesliga, sondern kleine Mädchen. Sie sollten Spaß am Fußball haben und nicht durch Druck und ehrgeizige Ziele des Coachs demotiviert werden.
    Zahlreiche Gespräche hatten deswegen stattgefunden.
    Umsonst. Dieckmanns konnte nicht aus ihrer Haut. Sie hatte die Damenmannschaft

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