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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriane Angelowski
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zurück.
    Minuten später war sie auf dem Weg zum Schlafzimmer ihres Vaters. Sechs Stäbchen sahen ziemlich schwarz aus, und den Kaffeebecher hatte sie zu voll gemacht, er schwappte bei jedem Schritt über.
    Maxi schob die angelehnte Tür mit dem linken Fuß auf und ging zielstrebig auf das Bett zu. Ihr Vater schnarchte unter einer dicken Daunendecke. Sie stellte das Tablett auf die Wäschetruhe unter dem Fenster und zog die Vorhänge zurück.
    »Aufwachen, Schlafmütze!«
    Johann Bernsen rührte sich nicht.
    »Paps! Dein Kaffee wird kalt.«
    Ihr Vater lugte unter der Decke hervor. Sein Gesicht war völlig zerknittert, die grauen Locken standen zu Berge.
    Maxi hielt ihm die Tasse entgegen. »Kaffee mit zwei Löffel Zucker.«
    Johann setzte sich wortlos auf, nahm den Wachmacher entgegen und trank. Maxi reichte ihm die Fischstäbchen.
    »Zum Frühstück?«
    »Du hast doch gesagt, du liebst Fischstäbchen.« Maxi biss sich auf die Unterlippe.
    »Mag ich auch, sehr sogar, aber … Ach, egal, gib her!«
    Maxi kroch zu ihrem Vater unter die Decke, beobachtete, wie er ein Fischstäbchen nach dem anderen verdrückte und an seinem Kaffee nippte. Zufrieden wanderte ihr Blick zum Gipsabdruck ihrer rechten Hand, der über dem Bett hing. Wie winzig ihre Finger damals gewesen waren, nicht größer als die Tatze eines Hundebabys. Jetzt betrachtete sie das Foto im Rahmen auf dem Nachttisch. Mama lachend im Watt. Barfuß, mit hochgekrempelten Hosenbeinen.
    »Wir haben alle Locken«, stellte Maxi fest und nahm das Bild in beide Hände.
    Ihr Vater legte einen Arm um sie. »Stimmt. Und du hast Mamis Augen, genauso eine süße Stupsnase und die gleichen niedlichen Füße.«
    Maxi lachte. »Quatsch mit Soße!«
    »Wirklich!«
    »Mochte sie Fischstäbchen?«
    »Ab und zu, allerdings nicht zum Frühstück.«
    Maxi gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange. Bartstoppeln kratzten. Sein vertrauter Geruch umfing sie.
    »Paps, in zwei Wochen habe ich Geburtstag.«
    »Ich weiß.«
    »Dann werde ich neun. Ich wünsche mir einen Hund.«
    »Ich weiß.«
    »Kaufst du mir einen Bernhardiner, nur einen ganz kleinen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Warum denn nicht?«
    »Ach Maxi.« Es folgte ein Vortrag über Verantwortung. »Außerdem musst du Klavier üben und zum Fußball, wie willst du dich da auch noch um einen Hund kümmern?«
    Maxi stellte ihre Ohren auf Durchzug, ihre Augen fixierten die kleine goldene Walze, die auf dem Nachttisch stand. »Kann ich die Melodie spielen?«, fragte sie und griff gleichzeitig nach dem Kästchen.
    »Nur einmal.«
    Vorsichtig legte Maxi Daumen und Zeigefinger auf die Kurbel und drehte sie. »Lalelu« erklang. »Das hat mir Mama abends immer vorgespielt.«
    Johann drückte seine Tochter an sich und gab ihr einen feuchten Kuss auf die Stirn.
    »Kann ich die Walze haben?«
    »Lass sie hier stehen, ansonsten verlierst du sie nur, und das wäre doch schade.«
    »Bitte, Paps!«
    Johann nahm Maxi die Walze aus der Hand und stellte sie auf das Schränkchen. »Es ist gleich sieben.« Die gemütliche Morgenstimmung verflog endgültig, als ihr Vater die Bettdecke zur Seite schlug. »Los, du musst den Bus nehmen, ich kann dich heute nicht fahren.«
    Maxi machte keine Anstalten aufzustehen. »Und Kili?«
    »Dein Bruder ist gestern Abend nicht nach Hause gekommen, wahrscheinlich hat er bei seiner Freundin übernachtet.«
    Früher hatte Kili ihr vorgelesen, sie huckepack getragen und Kissenschlachten mit ihr gemacht. Sie vermisste ihn, er war nur noch bei seiner blöden Josie.
    Ihr Vater hob sie aus dem Bett und drückte sie an sich.
    »Ich werde mich wirklich gut um Harry kümmern«, flüsterte Maxi in sein Ohr.
    »Harry?«
    »Mein Hund.«
    »Maximiliane! Beeil dich jetzt lieber! Und denk daran, heute ist Donnerstag, du hast Fußball. Nimm deine Trainingssachen mit.«
    Fünfundzwanzig Minuten später trat Maxi aus der Haustür. In ihrem Rucksack hatte sie die gebastelten Einladungskarten für ihre Pyjama-Party und in der Hüfttasche ihrer Hose die goldene Walze ihrer Mutter. Die Sonne schien, aber es blies ein scharfer Wind, während sie dem Schulbus entgegenlief.

Cuxhaven 2012, Haydnstraße
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