Finkenmoor
des TSV Sachsenross Hannover als Co- Trainerin 1988 ins Halbfinale geführt und ein Jahr später mit der Mannschaft die Meisterschaft der Oberliga Nord gefeiert. Die spätere Auflösung des Teams hatte der Coach nie verwunden, sich viele Jahre mit Trainerinnenjobs in kleinen Vereinen über Wasser gehalten und trainierte jetzt, eigentlich nur zum Vergnügen, die Mädchen des S.V.S. Sahlenburg.
Wie selbstverständlich fuhr sie jeden Donnerstag die gut siebzig Kilometer von Stade nach Cuxhaven, nur um ihr Team zu coachen, und erwartete dafür vollen Einsatz von ihren Schützlingen. Da konnte Dieckmanns nicht aus ihrer Haut. Sie machte keine halben Sachen, lief Marathon, schwamm auch im Winter in der eiskalten Nordsee, gönnte sich kaum Pausen, verlangte viel von sich und anderen.
An diesem Tag hatte sie es nicht besonders eilig mit dem Schlusspfiff. Sie liebte das Außentraining, ließ sich mit Vergnügen jedes Wetter um die Nase wehen und zog sich ungern vor dem Winter in die Turnhalle zurück. Aber in dieser Sache entschieden die Eltern.
Als es jetzt zu nieseln begann, beendete der Coach schweren Herzens das Training, rief die Mädchen zusammen, bildete mit ihnen einen Kreis und fand für jedes Teammitglied anerkennende Worte. Anschließend halfen einige Kinder beim Einsammeln der Bälle, andere ließen sich erschöpft auf den Rasen fallen. Dieckmanns scheuchte die Mädchen vom feuchten Rasen hoch und bedankte sich bei den Helferinnen.
Gemeinsam erreichte sie mit den üblichen Nachzüglerinnen das altersschwache Gebäude und hörte ihr Handy ab. Ihre Schwester hatte Gulasch gemacht. Das waren gute Aussichten. Nun hatte es der Coach auf einmal eilig. Mit den Jahren war der Familienzusammenhalt für sie wichtiger geworden. Wichtiger als jedes Fußballspiel, wichtiger als Sieg und Niederlage.
***
Innerhalb von Minuten herrschte heilloses Durcheinander in der kleinen Umkleidekabine. Sportsachen, Jeans, Pullover, Jacken und Handtücher lagen verstreut auf dem Boden. Es war kaum vorstellbar, dass sich das Gewirr innerhalb der nächsten halben Stunde lichten konnte, dass jedes Kind am Ende tatsächlich seine eigenen Sachen anhatte. Doch letztlich war es jedes Mal so, und zurück blieben nur ein paar stumme Zeugen des vorangegangenen Chaos: Haargummis, ein einzelner Strumpf und eine Handvoll Bonbonpapier.
Jetzt kreischten die Mädchen durcheinander, lachten und knufften sich in die Seiten. Die Strapazen des Trainings schienen vergessen.
Maxi saß abseits und drehte die Einladungskarten für ihre Pyjama-Party in den Händen. Das Training war heute super gelaufen. Dieckmanns hatte sie besonders gelobt, eine Seltenheit. Eigentlich fürchtete sich Maxi immer ein bisschen vor dem Coach, deshalb hatten ihre Schulterklopfer doppelt gutgetan. Das Augenrollen und Grimassenziehen der anderen war ihr trotzdem nicht entgangen. Maxi fielen Dianes Worte ein. »Die sind neidisch, weil du ziemlich gut bist. Ich habe mit dem Coach gesprochen, du kannst es weit bringen.«
Maxi wollte es nicht weit bringen. Dazuzugehören schien ihr viel erstrebenswerter. Zögernd stand sie auf, gab sich einen Ruck und drückte jedem Kind eine Einladung in die Hand. Zu ihrer Verwunderung freuten sich alle, sogar Jana und Sina, die Maxi normalerweise keines Blickes würdigten.
Erleichtert stopfte Maxi Schal, Mütze und Handschuhe in die Sporttasche und stahl sich nach draußen. Unbemerkt verließ sie das eingezäunte Gelände und lief mit offener Jacke auf den Butendieksweg nach links. Maxi steuerte geradewegs auf den alten Esel zu, der bibbernd auf der Weide stand. Damit entfernte sie sich ein gutes Stück vom Sportplatz.
Das Tier wirkte dünn und klapprig, die Rippenbögen waren sichtbar. Eine Unterstellmöglichkeit gab es nicht, der Futtertrog war leer. Maxi ließ ihre Tasche fallen, kletterte auf eine Latte des Zauns und zog einige Möhren aus ihrer Daunenjacke, die sie beim Mittagessen in der Schulkantine eingesteckt hatte. Weit hinten am Sportplatz fuhren Autos vor, Scheinwerfer streiften das Gatter, wendeten, luden Taschen und Kinder ein.
Der Esel schwenkte träge den Kopf in Maxis Richtung. Sein Fell war von Dreck verkrustet und struppig.
»Komm her!« Maxi hielt das Gemüse in der ausgestreckten Hand. Das Tier trottete heran und schnappte nach einer Möhre. Sie klopfte ihm auf den Hals, während sie beruhigend auf ihn einsprach. Nach und nach verschwanden die Leckereien im Maul des Esels, wurden von ziemlich schwarzen Zähnen zermalmt.
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