Finkenmoor
flackerten die Kerzen auf dem Tisch. Ganz klar.
Angriff ist die beste Verteidigung . Ruckartig sprang Kilian vom Sofa, machte ein paar Schritte auf den hellen Steinboden und riss die Tür auf. Die schmale Diele lag verlassen, spärlich beleuchtet vom Licht der Kerzen.
Die Anspannung ließ nach, bis sein Blick auf den Boden fiel. Dunkle Flecken, Matsch auf weißen Fliesen.
Ganz ruhig, Alter. Du hast den Dreck selbst ins Haus getragen. Oder nicht?
Sein Blick flog zur Haustür. Seine Turnschuhe standen auf der Fußmatte, da wo er sie ausgezogen hatte. Sicher? Todsicher. Und die kleinen schmutzigen Pfützen? Wie kam dann die Nässe ins Haus? Schlamm und Regen. Der Boden völlig siffig. Er stand wie versteinert.
Das Handy lag auf dem Couchtisch neben dem Sofa. Beweg dich, Alter, ruf die Bullen . Instinktiv ging er rückwärts, behielt sämtliche Türen im Blick, die vom Flur abgingen. Die Heftigkeit, mit der er gegen den Türrahmen flog, überraschte ihn vollkommen. Ein Tritt gegen seine Beine. Er knallte auf den Boden, schlug mit dem Hinterkopf auf die Fliesen.
»Ein Ton, und ich breche dir dein Genick.« Dallinger. Er riss ihn an den Haaren nach hinten, drückte ihm ein Messer an die Kehle. »Du nimmst jetzt dein Handy und bestellst deine beiden Komplizen hierher. Und keine Zicken oder ich schlitz dich auf! Verstanden?«
Kilian war beinahe ohnmächtig vor Schmerz.
»Ich habe gefragt, ob du mich verstanden hast!«
Dallinger schleifte ihn an den Haaren ins Wohnzimmer, schleuderte ihn gegen den Couchtisch. »Los jetzt!«
Mit zittrigen Händen drückte er zuerst Phyllis’ Nummer. Besetzt. Er versuchte es bei Diane. Freizeichen, aber sie nahm das Gespräch nicht an.
Dallinger riss ihm das Mobiltelefon aus der Hand, steckte es ein, warf ihn aufs Sofa. Der Couchtisch flog in die Ecke, stieß gegen die Stehlampe, die umfiel und zerbrach.
Kilian wischte sich Blut von der Nase, hielt sich dann schützend die Arme vor sein Gesicht.
Dallinger schob den Sessel heran, nieste mehrmals. »Damit hast du nicht gerechnet!«
Kilians Blut tropfte auf das helle Designersofa. Schmerzen verhinderten klare Gedanken. Das Schwein liegt im Watt! Nein, eben nicht! Er hat andere Klamotten an. Jemand hat ihm geholfen. Wer?
Dallinger fuchtelte mit dem Messer vor Kilians Gesicht. »Du hast gedacht, die Arbeit ist erledigt! Hast du doch, oder?«
Das Badezimmerfenster. Er konnte es erreichen. Oder die Haustür. Raus hier. Der bringt dich sonst um.
»Ich habe dich etwas gefragt!«
Kilian kamen die Tränen. Nicht weinen. Der ergötzt sich daran. Warum hatte das Fentanyl nicht gewirkt? Außerdem haben wir ihn unter Wasser gedrückt. Der war tot! So eine verfluchte Scheiße . Kilian wollte seine Tränen zurückhalten. Es ging nicht.
Dallinger schnalzte mit der Zunge. »Ich stelle dir jetzt eine Frage, und ich möchte eine ehrliche Antwort. Bist du dazu in der Lage?«
Hör ihm zu, lass dich auf ihn ein, spiel das Spiel mit. Kilian nickte eifrig.
»Ich merke, wenn du mich anlügst«, sagte Dallinger ohne Aufregung in der Stimme. »Und wenn ich das Gefühl habe, dass du lügst, muss ich dir leider ein Ohr abschneiden. Hast du das verstanden?«
Kilian jaulte laut auf.
Dallinger stieß ihm seine Faust ins Gesicht. »Ob du mich verstanden hast?«
Kilian brüllte. Solche Schmerzen kannte er nicht. Oh mein Gott. Meine Nase ist gebrochen . Es war, als würde sein Kopf zerspringen.
Dallinger lehnte sich zurück. »Die Frage lautet: Verzeihst du mir? Kannst du verzeihen, was ich deiner kleinen Schwester angetan habe?«
Niemals. Wie könnte ich dir verzeihen, du mieses Stück Dreck.
Kilian nickte.
»Heißt das Ja?«
»Ja«, flüsterte Kilian.
»Entschuldige bitte«, sagte Dallinger, schnellte vor, packte Kilian an seinem rechten Ohr und setzte das Messer an. »Ich glaube, du hast mich gerade belogen.«
Cuxhaven, Haydnstraße
»Mach bitte die Tür auf, ich bin es, deine Mutter.«
Fäuste hämmerten gegen Holz.
Norma rührte sich nicht. Auf dieses Theater fiel sie nicht herein. So doof war sie nicht. Sie kannte ihre Pappenheimer.
Kitty konnte Stimmen nachmachen. Zufällig hatte Norma diese Gabe der Kleinen mitbekommen, als sie einmal, früher als erwartet, vom Friseur kam. In der Situation damals hatte Kitty Norma imitiert. Zuerst war die Kleine ein wenig verschüchtert gewesen, dann zunehmend mutiger, als sie dafür nicht gerügt wurde. Nach und nach stellte sich heraus, dass sie diverse Nachrichtensprecher und sogar Gabrielle Solis,
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