Finkenmoor
fest! Ich habe keinen Bock, eingelocht zu werden!«
»Ich muss auch improvisieren«, schrie Phyllis. Plötzlich wirkte sie wenig souverän. »Entschuldige bitte, wenn ich nicht immer gleich eine Lösung parat habe!«
»Lass uns das Schwein abladen und abhauen«, schlug Kilian vor.
»Wie, abhauen? Wir sitzen fest!«
»So eine verdammte Scheiße!« Kilian trat gegen die Stoßstange.
»Deine Schreierei bringt uns auch nicht weiter«, sagte Phyllis.
»Ich rufe Gregor an!« Kilian fischte sein Handy aus der XL-Jeans.
Phyllis packte ihn unsanft am Arm. »Du wirst niemanden anrufen!«
Kilian schüttelte sie ab. »Gregor ist in Ordnung, er wohnt in Arensch und fährt einen Wagen mit Allradantrieb, der zieht uns hier raus.«
»Wie sollen wir ihm erklären, was wir hier im Watt machen, noch vor Sonnenaufgang?«
»Der stellt keine Fragen!
»Und wenn doch?«
»Was schlägst du denn vor? Hast du eine Idee? Du weißt doch sonst immer alles!«
»Beruhige dich!«
»Einen Scheiß werde ich! Hier geht es auch um meinen Arsch! Wir werden jetzt zur Abwechslung tun, was ich sage, und –«
»Und in den Knast wandern!«, schrie Phyllis.
»Wir werfen Dallinger ins Watt, und dann rufe ich Gregor an.« Kilian wunderte sich, wie entschlossen er klang.
Mit versteinertem Gesicht sah Phyllis zu, wie Kilian die Hecktüren öffnete, den Sack mit Dallinger griff und ihn unsanft aus dem Fahrzeug zog.
Phyllis half wortlos.
Dann ging alles blitzschnell. Dallinger riss den grauen Müllsack völlig überraschend auseinander. Eine kurze Schrecksekunde waren Phyllis und Kilian überrumpelt. Irgendwie war es dem Schwein sogar gelungen, die Fußfesseln zu lösen. Nun trat er wie ein Verrückter um sich. Doch Kilian packte ihn. Wie von Sinnen zerrte er ihn aus dem Wagen. Dallinger schlug mit dem Kopf auf.
Kilian zögerte nicht eine Sekunde und drückte ihn unter die Wasseroberfläche. Die Flut ging ihm fast bis zu den Knien. Dallinger versuchte, sich aufzubäumen, schien Kräfte zu mobilisieren, schlug um sich. Jetzt eilte Phyllis Kilian zu Hilfe, wälzte sich auf Dallingers Oberkörper, scheute den Zweikampf nicht.
Gemeinsam gelang es ihnen, Dallinger zu überwältigen. Sie hielten ihn in den eisigen Fluten. Er wehrte sich. Es war wie ein letztes Aufbäumen. Die Wirkung des Fentanyls schwächte ihn. Seine Gegenwehr ließ nach. Kilian und Phyllis hielten ihn fest, bis er regungslos im Wasser trieb.
»Los, zurück zum Auto!«, befahl Phyllis dann.
Durch den Kampf mit Dallinger hatten sie sich weit vom Berlingo entfernt. Frierend stapften sie durch die kalte Flut, drehten sich ständig nach dem Körper um, der im Wasser trieb. Gehend rief Kilian Gregor an.
Wie erwartet stellte der Freund keine Fragen.
Nach einer gefühlten unendlich langen Wartezeit am Berlingo sahen sie den roten Jeep dann endlich durchs Watt auf sie zukommen. Das Wasser war mittlerweile beängstigend hoch gestiegen, die Reifen auf der Fahrerseite waren fast vollständig umspült. Erleichtert stellte Kilian fest, dass von Dallinger nichts mehr zu sehen war.
Mit Mühe brachte er gemeinsam mit Gregor das Abschleppseil am Berlingo an. Sie brauchten mehrere Anläufe.
Während der Rückfahrt saß Kilian bibbernd neben seinem Freund. Gregor machte die Heizung an und zog den Berlingo bis zur asphaltierten Straße. Sein Thema war die Fliegerbombe und die damit verbundene Aufregung. Kilian hörte kaum zu. Er fühlte sich erschöpft und wenig erleichtert.
Bis zum Spanger Damm fuhren sie hintereinander her. Das Polizeiaufgebot hatte weiter zugenommen, jedenfalls kam es Kilian so vor.
»Halt kurz an«, bat er seinen Freund an der Abzweigung nach Holte-Spangen.
Er stieg aus und ging zu Phyllis’ Wagen.
»Es ist besser, wenn wir uns ein paar Tage nicht sehen«, sagte sie.
Kilian fror. »Was ist, wenn die Leiche gefunden wird?«
»Was soll dann sein? Nichts deutet auf uns hin.«
»Er hat sich gewehrt«, gab Kilian zu bedenken. »Es gibt mit Sicherheit Fasern unter seinen Fingernägeln oder sonstige Spuren. Der Polizei genügen kleinste Anhaltspunkte. Wir hätten ihn nicht im Watt abladen sollen. Das war eine blöde Idee.«
»Mach dir keine Sorgen, niemand kommt auf uns.«
»Rufst du Diane an?«, fragte Kilian. »Ich mache mir Sorgen.«
»Wir lassen sie ein paar Tage in Ruhe«, schlug Phyllis vor.
»Bist du erleichtert?«, fragte Kilian.
Phyllis zog die Schultern hoch. »Im Augenblick bin ich einfach nur müde. Ich übernachte bei meiner Schwester.«
Sie gab Gas,
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