Finkenmoor
zu sagen, vielleicht bis Mittag.« Der Beamte tippte sich an die Mütze und ging davon.
Phyllis schloss das Fenster, schlug auf das Lenkrad und fluchte lautstark. »Das kann doch nicht wahr sein! Die ganze Planung für die Katz! All die Anstrengungen! So eine Scheiße!«
Kilian zuckte zusammen, er hatte Phyllis noch nie fluchen gehört. »Was machen wir jetzt?«
Phyllis antwortete nicht, wendete den Wagen und gab Gas. »Wir fahren an den Strand zwischen Arensch und Berensch und laden Dallinger im Watt ab. Den Rest wird die ansteigende Flut erledigen.«
Kilian gefiel der Vorschlag nicht, aber er hielt seinen Mund. Eigentlich war abgemacht, dass sie zu dritt in den Wernerwald fuhren und Phyllis ihn und Diane auf einer Lichtung absetzte. Der Rest wäre Phyllis’ Sache gewesen. Sie sollten nur in der Nähe sein, falls etwas schiefging. Diese Bedingung hatte Phyllis gestellt, damals, als sie ihn einweihte. Er hatte zugestimmt, keine Fragen gestellt. Nun ließ sich der Plan nicht durchführen. Dann musste es eben anders gehen. Hauptsache, sie zogen das Ding durch, ein für alle Mal.
Auf der Landstraße zwischen Sahlenburg und Holte-Spangen kam ihnen die Wagenkolonne einer Hundertschaft entgegen.
»Voll bedrohlich«, murmelte Kilian.
Phyllis lachte. Es klang hysterisch. »Ich kann es immer noch nicht glauben. Der Typ hat doch wirklich Schwein!«
»Dallinger?«
»Wer sonst! Ich habe sein Ende geplant, bis ins Detail, und ausgerechnet heute wird hier so eine dämliche Bombe gefunden!«
»Ja, krass.«
»Können wir Dallinger nicht so lange zu euch zurückfahren?«, fragte Phyllis unvermittelt.
Kilian schreckte hoch. »Auf keinen Fall. Mein Vater kommt morgen oder übermorgen zurück. Das ist viel zu riskant.«
Phyllis murmelte einige unverständliche Worte.
Kilian brach der Schweiß aus, er drehte sich zur Ladefläche. »Meinst du, der Arsch ist schon tot?«
»Nein.«
Phyllis bog auf den Arenscher Weg ab. Zum Glück lag die Straße, die durch die Heidelandschaft nach Berensch führte, verlassen vor ihnen. Von der Unruhe, die in Sahlenburg herrschte, war hier nichts zu spüren. Phyllis fuhr zügig und bog in Berensch sofort rechts und dann gleich wieder links ab, um zu den Außendeichen zu gelangen. Die Gästehäuser des Dünenhofs lagen dunkel und versteckt hinter Hecken. Dort schliefen Besucher in Hörweite der Rotationsblätter eines einsamen gigantischen Windrades. Dahinter endete die asphaltierte Straße abrupt. Phyllis lenkte den Berlingo auf den Feldweg, der zum Meer führte.
Schließlich erreichten sie einen schmalen, mit Steinplatten ausgelegten Wanderweg. Phyllis lenkte den Wagen so, dass die Reifen auf der rechten Seite befestigt fuhren, die beiden linken Räder drehten sich auf schlammigem Untergrund.
»Die Flut kommt«, stellte Kilian fest.
Phyllis fuhr immer tiefer ins Watt. Am Horizont graute der Morgen. Lachmöwen kreisten über der Küste. Der Weg lag wie ein gerades Band vor ihnen, von morastiger Küstenheide gesäumt.
Ruckartig sank das Fahrzeug ein. Phyllis lenkte die linken Reifen sofort auf den Gehweg und die rechten in den Morast. Die Fahrt ging weiter. Allerdings sackte der Berlingo nach wenigen Metern erneut ein. Phyllis gab Gas, versuchte, die Seiten zu wechseln, doch diesmal drehten die Räder durch.
»Wir haben uns festgefahren, so ein verdammter Mist!«, fluchte sie. »Du musst aussteigen und die Kiste anschieben!«
Kilian schluckte den Kommentar herunter, den er auf der Zunge hatte. So viel zum Thema: »Wir schaffen es zu zweit.« Wortlos sprang er aus dem Auto. Kalter Schlamm gelangte in seine Chucks und verursachte Schmatzgeräusche beim Gehen. Er ging um das Fahrzeug herum und sah, dass beide linken Räder im Schlick feststeckten.
Phyllis gab Vollgas, aber dadurch drehten die Räder noch tiefer ein. Kilian bekam eine Ladung grauen Schlamm ab, während er sich mit vollem Körpereinsatz gegen das Fahrzeug stemmte.
»Es hat keinen Zweck«, rief er nach einer Weile, aber Phyllis wollte offenbar nicht aufgeben. Wieder und wieder drückte sie das Gaspedal durch. Ohne Erfolg. Der Berlingo wühlte sich im Morast ein.
»Du machst es nur schlimmer!«, rief Kilian, watete zur Beifahrerseite und riss die Tür auf.
Phyllis stellte den Motor ab, stieg aus und begutachtete ebenfalls das Desaster. »Das sieht übel aus.«
Kilian platzte der Kragen. »Ist das alles, was dir dazu einfällt? Nichts läuft nach Plan! Wir haben dieses Arschloch im Wagen, die Flut steigt, und wir stecken
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