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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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beieinander. Nicht wie bei einem kurzen Besuch, wenn man auf dem Sofa ein Nickerchen hält. Wir werden uns atmen hören, uns im gleichen Raum aus- und umziehen. Ich höre sie ihre Tabletten aus den Packungen drücken. Das ist schon ein kleines Hörspiel. Es knistert wie drei trockene Holzscheite im offenen Kaminfeuer. Mir ist das alles viel zu nah. Ich habe ganz andere Rhythmen. Ich bin ein Nachtvogel, die beiden sind mehr Tagaktive. Das mag was geben! In diesem Moment überraschen sie mich mit dem Satz: »Und? Gehen wir noch mal hoch? Bisschen aufs Wasser schauen? Wir würden dir auch ein Bier spendieren.«
    »Alkohol? Für mich? Von meinen Eltern? Donnerwetter! Dann los!«
     
    Wir stehen in der Schlange vor der Restaurantkasse. Hier kann man die Währung wählen, in der man bezahlen möchte: schwedische Kronen oder »finnischen« Euro. Wir zahlen mit der »Reiseerleichterung« Euro. Der Finne an der Kasse spricht uns an: »Sie sind aus Deutschland?« Wir strahlen. Der kann Deutsch! Wo wir hinwollen? Lahti. Nun strahlt er. Lahti – seine Geburtsstadt. Warum gerade nach Lahti? Der Sohn und Bruder wohne nun dort. Als Deutscher? In Lahti? In Finnland? Er strahlt noch mehr.
    In seiner nächsten Pause setzt sich Arto zu uns. Er fährt seit 2002 bei Tallink Silja Line. Auf der Fähre arbeiten ausschließlich Finnen, erzählt er. Seine Schicht dauert sieben Tage, mit 70  Arbeitsstunden, dann hat er jeweils eine Woche frei, die er bei seiner Familie verbringt. Ursprünglich hatten seine Frau und er beide auf dem Fährschiff gearbeitet, bis dann die Kinder kamen. Nun arbeitet seine Frau als Krankenschwester, er weiter im Schichtdienst.
    »Meine Frau ist eine typische Finnin.«
    »Was heißt das?«, frage ich.
    »Sie ist schön, mit hellen Haaren, und lustig.«
    Eine großartige Liebeserklärung an den weiblichen Teil seines Volkes, finde ich.
    Dann schwärmt er von seinem
mökki
, wo es ganz anders sei als im Stadtleben. Dort könne man zum Beispiel einfach ein Feuer anmachen. Ilse fragt, wohin er denn im Urlaub fahren würde. Er schüttelt den Kopf. Die Sommer im
mökki
seien so schön. Er würde höchstens alle vier oder fünf Jahre mal im Ausland Ferien machen. Bei einer Tante in »Switzerland«.
    Ob es schön sei in Lahti, fragt Hermann. Natürlich sei es schön in Lahti, vielleicht nicht ganz so schön wie in Vääksy, wo Arto auch zehn Jahre lang gewohnt habe. Aber beide Städte lägen am wunderschönen Vesijärvi-See.
    »Seid ihr schon mal Eisangeln gewesen?«
    »Noch nie! Keiner aus unserer gesamten Familie hat je eine Angelrute in der Hand gehabt, zu keiner Jahreszeit.«
    Ungläubig schüttelt Arto den Kopf und schwärmt vom Eislochangeln in Jääkaira. Später suche ich diesen Ort auf der Landkarte und stelle fest, dass er versucht hatte, uns die Technik des Eislochangelns zu erklären. Er hatte nicht
in
Jääkaira geangelt, sondern
mit
dem
jääkaira
, dem Eislochbohrer, die Löcher zum Angeln in das Eis geschnitten. Lost in translation.
    Meine Eltern erzählen von einer Busreise, die sie vor 15  Jahren unternommen hatten, zum Nordkap, und von der Rückfahrt über Rovaniemi.
    »Rovaniemi?« Jetzt kommt Arto noch einmal so richtig ins Schwärmen über Lappland, die Sommer, wenn es dort 24  Stunden hell ist, den Inari-See, den Ivalojoki, den Fluss, an dem er immer wieder angeln geht, den viel zu vielen Moskitos dort oben, der dunklen Zeit im Winter, wenn es zwei Monate lang keine Sonne gibt. »Nur vier helle Stunden am Tag!« Die Tage seien sehr dunkel, aber auch sehr schön. »Melancholik«, sagt er. Melancholisch.
    »Und der Alkohol im dunklen Winter?«, fragt Ilse. »Ich denke, dann trinkt ihr so viel.«
    Die Kollegen rufen, Arto lacht, steht auf und sagt: »Wodka hilft nicht nur Katzen!«
    Ich muss auch lachen und merke dann, dass ich diesen Satz trotz seiner offensichtlichen Komik nicht richtig verstanden habe. Was meint er? Ist das ein finnisches Sprichwort? Was bedeutet es genau? So etwas wie: »Milch ist nicht nur für in den Kaffee?«
    »Das verstehe ich jetzt nicht«, sage ich.
    »Katzen«, sagt Arto. »Katzen im Hals.« Und fasst sich an die Gurgel.
    Ilse schaltet als Erste: »Gegen das Kratzen im Hals. Er meint kratzen.«
    Arto nickt und wiederholt: »Ja. Wodka hilft nicht nur Katzen im Hals!«
    Er hat auf den finnischen Wodka »Koskenkorva« angespielt, für manche Finnen zumindest im Winter eine Art Grundnahrungsmittel, und dieser Wodka hilft, so Volkes Meinung und der Durstigen Trost, gegen

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