Finnischer Tango - Roman
Ruhe die Nachricht, die Eeva der Polizei übermitteln sollte. Als er damit fertig war, stand er auf, steckte seine Waffe in den Gürtel seiner Hose und beugte sich über den Wohnzimmertisch.
Eeva erblickte die Injektionsspritze in seiner Hand erst, als er sich umdrehte und vom Tisch wegging. Das war nicht das erste Mal, dass sie bei der Einschätzung eines Charakters völlig daneben lag. Würde sie jetzt sterben? Sie seufzte vor Erleichterung, als der Türke an ihr vorbeiging und vor dem bewusstlosen Russen stehenblieb.
»Diese Lösung enthält ein Gramm reines Heroin, das würde selbst ein Pferd umbringen«, erklärte der Türke, und jetzt war seine Stimme voller Hass. Er suchte die Vene in Arkadi Kirilows Ellbogenbeuge und injizierte den Stoff in einem Zug.
Kirilow erwachte aus dem Koma, zitterte ein paar Sekunden und hing dann wieder bewegungslos an den Ketten. Es dauerte nur einen Augenblick, und alles war vorbei.
»Sie kennen Ihre Aufgabe. Jetzt können Sie gehen«, sagte der Türke. Eeva stürzte so hastig zur Wohnungstür, dass sie hinfiel, sich dabei an der Hand verletzte und blutete. Sie zog die Stiefel an, griff nach ihrer Handtasche, rannte die Treppe hinunter und wagte nicht, sich umzuschauen. Im Treppenhaus hörte sie nur das Klappern ihrer Absätze und ihren dröhnenden Herzschlag. Was war eigentlich gerade passiert? War mit Kirsi alles in Ordnung?
Eeva stürmte auf die Straße hinaus und hätte um ein Haar einen Mann mit einer Pelzmütze und Einkaufsbeuteln umgerannt. Polizei, sie musste einen Polizisten finden. Sie rannte in Richtung Viiskulma und warf einen Blick nach hinten, niemand folgte ihr. Warum musste Mikko ausgerechnet heute auf Dienstreise sein?
Als die Johannes-Kirche zu sehen war, hatte ihre Angst schon so weit nachgelassen, dass Eeva es wagte, ihr Tempo zu drosseln, obwohl sie sich immer wieder umschaute. Wohin sollte sie gehen, wem sollte sie die Nachricht des Türken übermitteln? Sie kannte nur einen Polizisten, den Vater des Mädchens, das mit Kirsi die Reitstunden besuchte – ihren Freund Arto Ratamo.
»Der Türke« , Turan Zana sagte den Namen, den er Eeva Hallamaa genannt hatte, leise vor sich hin und geriet in Erregung. Nichts hasste er so sehr wie die Türken.
Als sich Zana vor den bewusstlosen Arkadi Kirilow stellte, wurde der in seinen Augen zu einem Türken. Er hatte große Lust, Kirilow zu schlagen, aber das ging nicht, der Mann durfte nicht sterben. Noch nicht. Zana trat an den Wohnzimmertisch, nahm die Spritze, zog Flumazenil auf und stach die Nadel in dasselbe Loch wie bei der Injektion vor wenigen Minuten.
Im gleichen Augenblick hörte man, wie die Wohnungstür geschlossen wurde, seine kurdischen Kameraden inOveralls betraten den Raum. Zana hatte seinen Männern im Voraus genaue Anweisungen erteilt, also konnten sie sofort an die Arbeit gehen.
Der leblose Körper wurde von den Ketten abgenommen und in einen Müllsack gesteckt, in den man Luftlöcher stach. Zanas Helfer trugen den Sack in einen Kleintransporter, der vor dem Haus stand, und kehrten dann zurück, um die Metallstangen zu holen.
Zana säuberte jeden Quadratmeter, auf dem er sich bewegt hatte, mit dem Staubsauger, nahm den Beutel aus dem Gerät, wischte den Fußboden im Wohnzimmer und im Flur mit Spiritus und beseitigte auch alle anderen Beweise für seinen Besuch.
Dann ging er ins Badezimmer, holte aus seiner Jackentasche einen kleinen Plastikbeutel und eine Pinzette und sammelte von den im Badezimmer herumliegenden Kleidungsstücken und vom Läufer Fasern und Haare Eeva Hallamaas auf. Schließlich vollendete er seine Inszenierung und streute ein wenig Amphetaminpulver auf die Fußbodenfliesen.
»Ein paar Hinweise für die Polizei, oder?« , sagte Zana in Kurmandschi, der Sprache seiner Heimat.
»So ist es vereinbart, mein Bruder«, antwortete er sich selbst leise, dann schob er die Hand in die Jackentasche und berührte den Griff der Luger Parabellum, der Pistole, die Eeva Hallamaas Vater gehörte.
2
Der eisige Dezemberwind drang heulend durch das Verdeck von Arto Ratamos uraltem Käfer herein, es waren so viele undichte Stellen, dass er gar nicht erst anfing, sie zu zählen. Warum musste er auch mit dem Auto ins Zentrum fahren.Im ununterbrochenen Verkehrsstrom rollte er die Erottajankatu hinunter zur Mannerheimintie und schaltete seinen brandneuen CD-Player ein. Das war so ziemlich das Einzige, was in seinem Wagen funktionierte. Er beschloss, diesmal nicht J. J. Cale zu hören, kramte an der
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