Finnisches Roulette
Finne klopfte nervös mit dem Fuß auf den Boden.
Brauer schüttelte den Kopf. Er wußte schon, wie er Sami Rossi nutzen würde, um die Lage im Main-Tower zu entspannen. Brauer war seit seiner ersten Begegnung mit demMann überzeugt, daß Rossi nicht den gutgläubigen Idioten spielte – er war einer. Der Finne hatte einem unbekannten Mann leichtfertig versprochen, ihm die Aktien von H & S Pharma zu verkaufen, wenn er sie von seiner Frau erben würde. Der mysteriöse Anrufer konnte niemand anders sein als Oberst Agron.
Brauer holte den Finnen, der auf seine Gipshand starrte, mit einem bedeutungsvollen Räuspern zurück auf den Boden der Realität. »Ihnen ist also klar, daß wegen Ihrer … unbedachten Zusage möglicherweise jemand glaubt, vom Tod ihrer Frau zu profitieren?«
Sami Rossi nickte unsicher. »Und wer?«
Brauer antwortete nicht. »Und Sie sind gewillt mitzuteilen, daß Sie die Aktien nicht verkaufen werden, selbst wenn Sie sie erben würden?«
Sami Rossi rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Selbstverständlich. Obwohl mir dann natürlich ein irrer Haufen Bargeld durch die Lappen geht.«
Brauer wurde allmählich wütend. »Wir haben keine Zeit für Scherze. Sind Sie bereit, Ihr Versprechen rückgängig zu machen oder nicht? Ihre Frau und noch etliche andere Menschen sind in Lebensgefahr.«
»Ja.« Rossi wirkte jedoch bei seiner Antwort alles andere als sicher.
Brauer rückte seinen weinroten Schlips zurecht, als würde er sich auf einen Fototermin vorbereiten, wählte die Nummer von Oberst Agrons Büro und mußte lange warten, bis sich schließlich der Chef der Leibwächter Goldsteins kurz und knapp meldete.
»Ich bin Jürgen Brauer vom Bundesnachrichtendienst. Wir haben Sami Rossi in unserer Gewalt, und er hat eine Nachricht für Oberst Agron«, sagte Brauer, reichte Rossi aber den Hörer nicht. Er verließ sich nicht im geringsten auf den Finnen und das, was der von sich geben würde.
Der Chef der Leibwächter übermittelte die Nachricht Goldstein, der schon im Begriff war zu gehen. Auch Oberst Agron, der gefesselt auf dem Sofa saß, hörte, daß vom BND die Rede war.
Goldstein überlegte einen Augenblick, was diese Information bedeutete, und riß dann dem Leibwächter den Hörer aus der Hand. »Ja.«
»Sind Sie Saul Agron?« fragte Brauer und zupfte konzentriert an der Spitze seines Schnurrbarts.
»Ja«, log Goldstein. »Sie sagten, Sie hätten eine Nachricht von Sami Rossi. Wie lautet sie?«
»Es lohnt sich nicht, Laura Rossi umzubringen und anderen Schaden zuzufügen«, sagte Brauer resolut. »Sami Rossi wird Ihnen seine Aktien unter keinen Umständen verkaufen, weil ihm nun klar ist, was Ihre Anfrage bedeutet. Das gilt auch für uns. Wir kennen die Situation in Ihrem Büro, der Main-Tower ist evakuiert, isoliert und umstellt. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sich zu ergeben. Unbemerkt kommt niemand aus dem Gebäude hinaus.«
Alles Blut wich aus Goldsteins Gesicht. Er stürzte ans Fenster, zog die Gardinen auf, preßte das Gesicht an die Scheibe und sah weit unten ein Blaulichtmeer. Hunderte Menschen strömten aus dem Main-Tower und blieben in einer Entfernung, die sie für sicher hielten, stehen, um zu dem Wolkenkratzer hinaufzuschauen. Goldstein begriff, daß seine letzte Chance vor seinen Augen zu Staub zerfiel. Wie zum Teufel konnte der BND über Sami Rossi und die Situation im Main-Tower Bescheid wissen?
Goldstein mußte irgendwie aus dem Wolkenkratzer hinauskommen. »Ich möchte einen Augenblick Bedenkzeit. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer«, sagte er zu Brauer und schrieb sich die Nummer auf den Handrücken. »Vergessen Sie nicht, daß wir bewaffnet sind und ein DutzendGeiseln in unserer Gewalt haben!« Goldstein knallte den Hörer hin. Befanden sich in dem Raum Abhörgeräte?
»Ruf den Hubschrauber her«, befahl Goldstein dem Chef der Leibwächter. Der amerikanische Pilot, den er engagiert hatte, war ein erfahrener Mann, aber Goldstein bezweifelte, ob selbst ein ehemaliger Kampfflieger in der Lage wäre, sie mit einem zivilen Sikorsky-Helikopter aus dem Wolkenkratzer herauszuholen.
Der bleiche Oberst Agron sah Goldsteins Miene an, daß das Spiel verloren war. Das hatte er allerdings schon geahnt, als er den Namen des BND gehört hatte. »Dir ist es auch nicht gelungen. Niemand ist perfekt«, sagte Agron gleichgültig.
»Du hast wieder einmal nicht recht. Leider wirst du den Beweis nicht mehr erleben«, zischte Goldstein ihn an und gab dem Leibwächter
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