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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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sich geglättet hatten.
    «Finden Sie?»
    « Sie nicht?»
    «Ich ziehe eigentlich elisabethanische Madrigale vor.»
    Morse schwieg einen Augenblick, betrübt, so schien es, über ihren Mangel an Sensibilität.
    «Oh.»
    «Ich fand es wunderbar ! Seien Sie nicht albern!» sagte sie. «Aber ich muß mich auf den Weg machen.»
    «Kann ich sie nach Hause begleiten?»
    «Das wäre zu weit. Ich wohne vorübergehend in einer Wohnung in Jericho.»
    «Dann fahre ich Sie nach Hause.»
    «Sie haben viel zuviel getrunken.»
    «Oder Sie übernachten hier, wenn Sie wollen? Ich kann Ihnen einen Pyjama leihen.»
    «Gewöhnlich trage ich keine Pyjamas.»
    «Nein?»
    «Wie viele Schlafzimmer haben Sie?»
    «Zwei.»
    «Und Schlafzimmer Nummer 2 ist frei?»
    «Ebenso wie Schlafzimmer Nummer 1.»
    «Kein Geheimgang zwischen ihnen?»
    «Ich könnte einen Bauunternehmer kommen lassen.»
    Sie lächelte fröhlich und stand auf. «Wenn jemals etwas zwischen uns sein sollte, Chief Inspector, dann nur, wenn wir beide etwas nüchterner sind. Das ist besser. Ich denke, das würden Sie auch vorziehen, wenn Sie ehrlich sind.» Sie legte eine Hand auf seine Schulter. «Kommen Sie. Rufen Sie ein Taxi.»
    Zehn Minuten später küßte sie ihn leicht auf die Lippen, ihre eigenen Lippen waren trocken und weich und leicht geöffnet.
    Dann war sie fort.
    Eine Stunde später lag Morse auf dem Rücken wach im Bett. Es war noch immer sehr warm in seinem Schlafzimmer, und er hatte sich nur mit einem leichten Baumwollaken zugedeckt. Viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf, und seine Blicke schossen in der Dunkelheit hin und her. Zuerst die wunderschöne Frau, die am Abend bei ihm gewesen war. Dann war es der Fall des Schwedenmädchens, bei dem in der komplexen Gleichung jetzt nur noch die letzten Zeilen ergänzt werden mußten; dann die Tatsache, daß es ihm bisher nicht gelungen war, die Herkunft der Kugel zu ermitteln, die George Daley getötet hatte — wobei dieses letzte Problem in seinen Vorstellungen allmählich einen immer größeren Raum einnahm...
    Die Kugel war aus etwa sechzig Meter Entfernung geschossen worden — das schien eine angemessene Vermutung. Warum also — warum war sie nicht gefunden worden? Und warum konnte niemand in Blenheim Genaueres über das Hören des Schusses sagen? Schießen war in Blenheim nicht so üblich wie in anderen Gegenden... in Wytham zum Beispiel. Das Gewehr selbst interessierte ihn weniger; es war viel leichter, ein Gewehr loszuwerden als eine Kugel, die überall gelandet sein konnte... Morse stand auf und machte sich auf die Suche nach der Broschüre über den Blenheim Park — so wie Johnson es vor so kurzer Zeit auch getan hatte. Die Stelle, wo Daleys Leiche gefunden worden war, konnte nur — wieviel? — etwa vierhundert Meter von dem schmalen, wie der Kopf eines Kormorans geformten nordwestlichen Zipfel des Sees entfernt sein. Ja, er würde die Zahl der Männer, die suchten, verdoppeln, in beiden Suchgebieten. Es konnte wenig Zweifel bestehen, daß Philip Daley das Gewehr seines Vaters irgendwohin geworfen haben mußte, in den See höchstwahrscheinlich. Und wenn sie erst eines von den beiden gefunden hatten, entweder das Gewehr oder die Kugel...
    Das Telefon läutete, und Morse griff nach dem Hörer.
    «Das war schnell, Sir.»
    «Was wollen Sie denn?»
    «Die Kollegen aus London, Sir. Sie haben im Präsidium angerufen, und Sergeant Dixon dachte, er solle mir Bescheid...»
    «Solle Ihnen Bescheid geben, Lewis? Wer zum Teufel leitet diesen verdammten Fall? Dixon wird was von mir hören!»
    «Sie dachten, Sie würden schlafen, Sir.»
    «Und hab ich geschlafen?»
    «Und, na ja...»
    «Und was?»
    «Spielt keine Rolle, Sir.»
    «Spielt verdammt noch mal wohl eine Rolle! Sie dachten, ich sei mit einer Frau im Bett! Das haben sie gedacht!»
    «Ich weiß es nicht, Sir», sagte der ehrliche und rechtschaffene Lewis.
    «Oder ziemlich betrunken.»
    «Vielleicht dachten sie beides», sagte Lewis bescheiden.
    «Nun?»
    «Der junge Philip Daley, Sir. Vor etwa einer Stunde. Hat sich vor einen Zug der Central Line geworfen, scheint es — der Zug kam von der Bond Street und fuhr in die Station Marble Arch ein. Der Zugführer hatte keine Chance, kam gerade aus dem Tunnel.»
    Morse sagte nichts.
    «Die Polizei wußte einiges über den Jungen. Er war beim Ladendiebstahl in einem Spirituosenladen in der Edgware Road erwischt und festgehalten worden, aber der Manager beschloß, die Sache nicht strafrechtlich zu verfolgen — ließ

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