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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Personen — David Michaels und Mrs. Michaels — würde jetzt ihm und seinen Leuten anvertraut werden, da Morse verkündet hatte, er werde seinen gekürzten Urlaub sofort wiederaufnehmen, der (vor so langer Zeit, schien es) im Bay Hotel in Lyme Regis begonnen hatte.
    Drei Gläser Schaumwein und zehn Minuten später rappelte Strange sich mühsam hoch und teilte Morse mit, daß er aufbreche.
    «Danke! Und genießen Sie Ihren Urlaub!»
    «Wenn Sie mich lassen.»
    «Wohin gehen Sie diesmal?»
    «Ich habe an Salisbury gedacht, Sir.»
    «Warum Salisbury?»
    Morse zögerte. «Sie haben gerade die Kathedrale aufgetakelt, und ich dachte...»
    «Sind Sie sicher, daß Sie mir nicht mit Religion kommen wollen, Morse?»

    Zwei der Sektflaschen waren geleert, und Morse nahm die dritte und begann, den Drahtverschluß zu öffnen.
    «Für mich nichts mehr», sagte Lewis.
    Morse stellte die Flasche zurück auf die Anrichte. «Wäre Ihnen ein Newcastle Brown lieber?»
    «Um die Wahrheit zu sagen, ja, Sir.»
    «Dann kommen Sie.»
    Morse ging voraus zu der unordentlichen Küche.
    «Sie wollen mir Konkurrenz machen, Sir?» Lewis zeigte auf die uralte Reiseschreibmaschine, die auf dem Küchentisch stand.
    «Ach, das! Ich war gerade dabei, einen kurzen Brief an die Times zu schreiben.» Er reichte Lewis das Ergebnis seiner Bemühungen: ein schlecht getipptes Schreiben voller ausgeixter Stellen.
    «Soll ich es noch einmal für Sie abtippen, Sir? Es ist ein bißchen...»
    «Ja, bitte. Ich wäre Ihnen sehr dankbar.»
    So saß Lewis am Küchentisch und tippte den kurzen Brief neu. Daß es länger dauerte, als es hätte dauern sollen, hatte zwei Gründe: Einmal beherrschte Lewis die Tastatur auch nicht eben überwältigend gut, zum anderen schaute er mit zunehmender Verwirrung auf die erste Zeile, die er getippt hatte. Und dann auf die zweite. Und dann auf die dritte... Besondere Aufmerksamkeit widmete er der abgenutzten oberen Hälfte des kleinen und dem leicht verkürzten Querstrich des kleinen ... Im Augenblick jedoch sagte er nichts. Dann, als seine verhältnismäßig saubere Abschrift fertig war, drehte er sie aus der alten Schreibmaschine und gab sie Morse.
    «Viel besser! Guter Mann!»
    «Sie erinnern sich an den ersten Artikel in der Times, Sir? In dem gesagt wurde, die Schreibmaschine könne leicht identifiziert werden, wenn sie jemals gefunden würde? An den s und den s...?»
    «Ja?»
    «Sie haben die Verse über das Mädchen selbst geschrieben, nicht wahr, Sir?»
    Morse nickte langsam.
    «Verdammt noch mal!» Lewis schüttelte ungläubig den Kopf.
    Morse schenkte sich eine Dose Bier ein. «Sekt ist ein wunderbares Getränk, aber es macht einen durstig, nicht?»
    «Glauben Sie, daß irgendwer sonst eine Ahnung hatte?» fragte Lewis und lächelte auf die Schreibmaschine hinunter.
    «Nur ein Mensch. Jemand aus Salisbury.»
    «Sagten Sie nicht, daß Sie nach Salisbury fahren wollten?»
    « Könnte sein, Lewis. Kommt drauf an.»

    Eine halbe Stunde nachdem Lewis gegangen war, lauschte Morse dem langsamen Satz von Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 in Lipattis Version, als es an der Tür läutete.
    «Es ist etwas spät, ich weiß, aber...»
    Der finstere Ausdruck in Morses Gesicht verwandelte sich plötzlich in ein ekstatisches Lächeln.
    «Unsinn! Zufällig habe ich gerade zwei Flaschen Schaumwein...»
    «Meinen Sie, das wird reichen?»
    «Kommen Sie herein! Ich will nur eben das hier abstellen...»
    «Bitte nicht. Ich mag es sehr gern. K. 467? Richtig?»
    «Wo haben Sie Ihr Auto stehen?»
    «Ich bin nicht mit dem Auto gekommen. Ich dachte, Sie werden vermutlich versuchen, mich betrunken zu machen.»
    Morse schloß die Tür hinter ihnen. «Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich es abstellen. Ich war noch nie zwei schönen Dingen zur gleichen Zeit gewachsen.»
    Sie folgte Morse ins Wohnzimmer, wo er zum zweitenmal Flasche Nummer drei in die Hand nahm.
    «Wann müssen Sie wieder gehen, Liebes?»
    «Wer hat etwas von gehen gesagt, Chief Inspector?»
    Morse stellte die Flasche ab und ging rasch zur Wohnungstür zurück, wo er den Schlüssel umdrehte und beide Riegel vorschob, den oberen und den unteren.

Epilog

    Das Leben schlägt uns niemals etwas vor, was sich nicht, ebensogut wie als Ziel, auch als neuer Ausgangspunkt auffassen ließe

    (André Gide, Die Falschmünzer)

    Am Montag, dem 10. August 1992., war unter den Leserzuschriften in der Times folgender Brief abgedruckt:

    Von Detective Chief Inspector E. Morse

    Sir, im

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