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Finstere Propheziung

Finstere Propheziung

Titel: Finstere Propheziung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. B. Gilmour , Randi Reisfeld
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drehte ihrer Mutter den Rücken zu und ging zum Kühlschrank hinüber, um so zu tun, als suchte sie etwas zu Essen. »Von wem kommt der Brief denn nun?«, fragte sie leise.
    Sara hustete bellend und versuchte sich zu räuspern. »Mach dir keine Sorgen. Es ist gar nicht so schlimm, Allie«, sagte sie, ihre Stimme gedämpft durch das Geschirrtuch, das sie gegen ihre Lippen drückte.
    Später in dieser Nacht wachte Alex auf, sie war durstig und beschloss, sich ein Glas Wasser zu holen. Auf dem Weg zur Küche kam sie am Zimmer ihrer Mutter vorbei, dessen Falttür nur aus einem Stück starrem, grauem Vinyl bestand, das von einem Gestell herabhing. Hinter dem steifen Vorhang hörte Alex das schwerfällige Rasseln und Pfeifen von Saras Atem.
    Der zusammengeknüllte Brief lag auf dem Küchentisch, neben der leeren Kaffeetasse ihrer Mutter. Sie hatte ihn wieder glatt gestrichen, als ob sie ihn noch einmal gelesen hätte, bevor sie zu Bett gegangen war.
    Hatte sie ihn da hingelegt, damit ich ihn finden würde?, fragte sich Alex. Wollte ihre Mom, dass sie den Inhalt der Mitteilung kannte ? Das Erste, was ihr ins Auge fiel, war der offizielle Briefkopf der Klinik. Das Nächste war das Wort CHEMOTHERAPIE.
    Sara Fielding hatte Lungenkrebs. Der Brief erklärte, dass eine Operation nicht in Frage käme, dass aber eine Kombination aus Strahlen-und Chemotherapie ein Ausbreiten der Krankheit verzögern könnte, möglicherweise sogar verhindern. Damit die Behandlung aufgenommen werden könne, wurde Sara gebeten, einige Fragen zu ihrer Krankenversicherung zu beantworten. Was denn für eine Krankenversicherung, fragte sich Alex. Sie hatten keine Krankenversicherung. Und dann begriff sie es. Lungenkrebs. Wie schlimm war es ? Gar nicht so schlimm, hatte ihre Mom gesagt. Aber da hatten sie ja von einer vermeintlichen Mieterhöhung gesprochen. Oder hatte ihre Mutter in Wirklichkeit ihre Krankheit gemeint? Es ist gar nicht so schlimm, Allie. Hieß das, dass sie nicht sterben würde ? Alex setzte sich langsam hin, sank auf den gleichen wackeligen Stuhl, auf dem ihre Mutter vorhin gesessen hatte. Sie blickte hinaus auf die Berge, die man selbst in der Dunkelheit noch erkennen konnte und die, so dachte Alex auch jetzt, dem Rücken eines Drachen ähnelten. Ein Zickzack von Gipfeln. Eine Hügelkette, die sich vor einem mit Sternen übersäten, mondhellen Himmel abzeichnete. Derselbe Vollmond, den sie am Nachmittag über dem Riesenrad gesehen hatte, früh aufgegangen und blass. In diesem Moment dachte sie an Cam, daran, wie sie das Mädchen auf der anderen Seite des heruntergekommenen Riesenrads gesehen hatte. Alex fuhr sich mit den Fingern durch ihr strähniges Haar. Mal abgesehen von ihrem Körper und den Augen hatte sie mit dieser verwöhnten kleinen Prinzessin aus Massachusetts nichts gemein. Und hier war der Beweis, dachte Alex, griff nach dem Brief und schüttelte ihn wütend. Würde sich Miss Vier-Karten-ä-fünfundzwanzig-Dollar den Kopf über Versicherungen zerbrechen müssen, wenn mal jemand aus ihrer Familie krank wäre ? Wohl kaum.
    War ja auch egal. Sie gehörte nicht zu so einer dämlichen Fernsehserien-Familie. Sie und ihre Mom waren auf sich gestellt und sie waren auch ohne Hilfe bisher hervorragend zurechtgekommen.
    Na ja, hervorragend war vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Sie waren zurechtgekommen. Sie hatten überlebt. Und das würden sie auch weiterhin tun. Alle beide. Es kam gar nicht in Frage, dass Sara die Behandlung nicht bekam, die sie brauchte. Selbst wenn Alex dafür zwei Schichten im Erlebnispark machen oder die Schule an den Nagel hängen und einen richtigen Job suchen müsste. Hier wurde nicht gestorben. Schon gar nicht der einzige Mensch auf dieser Welt, den Alex liebte.

K apitel 11 - WAS BETH GLAUBT

     
    Die Saddlebrook— Farm war enorm. »Pferdeflüsterer-Luxusversion« nannte Beth das riesige Hauptgebäude mit seinen erhabenen Decken und überdimensionalen rustikalen Holzmöbeln. Zum Anwesen gehörten auch mehrere Ställe, ein Tennisplatz und sogar ein kleiner privater Quellwasser-See, in dem man schwimmen konnte.
    Eigentlich alles vorhanden, um einen herrlichen Urlaub verleben zu können - aber über all dem, fand Cam, lag eine seltsame Atmosphäre. Eine Atmosphäre, die sie immer dann besonders spürte, wenn sie an diesem Gemälde im Wohnzimmer vorbeikam. Vielleicht lag es an der Höhe, in der das Porträt aufgehängt war, oder am finsteren Blick und kalten Lächeln des Mannes, der abgebildet war, dass

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