Finstere Propheziung
Cam es als bedrohlich empfand.
»Ist das der Typ, dem das hier gehört?«, fragte sie ihren Dad am Tag nach ihrem Ausflug zum Big Sky. Sie war gerade auf dem Weg zum Tennisplatz, wo sie sich mit Beth treffen wollte, und war vor dem Bild stehen geblieben, ihren Schläger fest im Arm haltend und leicht zitternd.
»Keine Ahnung«, gab ihr Vater zu. Er trug eine knielange Badehose, die ebenso grellbunt war wie sein Hawaiihemd, und hatte sich ein Handtuch über die Schulter geworfen. »Ich bin ihm nie persönlich begegnet. Er ist mit einem Kunden befreundet, den ich juristisch vertreten habe. Was ist denn los ?«, fragte er und legte ihr einen Arm um die Schulter. »Er erinnert mich an jemanden«, antwortete Cam leise - und sah plötzlich den stämmigen Mann im Schatten des Riesenrads wieder vor sich. »Na, wenn er tatsächlich unser geheimnisvoller Gastgeber ist«, gluckste Dave und führte sie zur Tür, »dann ist er jemand. Und zwar richtig. Der Vorsitzende irgendeines mächtigen Konzerns, megareich ... «
Ich glaube, ich habe ihn gestern gesehen, wollte Cam sagen, aber sie ließ es. Stattdessen umarmte sie ihren Dad und während er sich auf den Weg machte, um ihrer Mom am See Gesellschaft zu leisten, eilte Cam über den perfekten Rasen in Richtung Beth, die gerade Aufschläge übte. Sie hatte für sich beschlossen, rief sich Cam ins Gedächtnis, dass sie diese ganze Riesenrad-Geschichte fallen lassen würde. Die unheimliche Stimme, den knochigen alten Mann und vor allem dieses ganze merkwürdige Zeugs, das mit dem MontanaMädchen geschehen war. Schlimm genug, dass sie durchdrehte, sie musste diese Tatsache ja nicht auch noch an die große Glocke hängen. »Gestern« - das wird einfach einer leichten Erkältung, den Strapazen der Reise und
Fußball-Schuldgefühlen zugerechnet und damit gut! Als sie am Tennisplatz ankam, hatte sie sich schon fast davon überzeugt, dass die einzige Gemeinsamkeit zwischen Mr Saddlebrook und dem sonderbaren Typen vom Big Sky die Tatsache war, dass sie beide Anzeichen für ihren Beinahe— Nervenzusammenbruch waren. Wenn Cam sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann erreichte sie es in der Regel auch. Heute war ihr Ziel, Beth in die Knie zu zwingen, in mindestens zwei Sätzen von dreien, und alles, was möglicherweise gestern passiert war - oder auch nicht - aus ihrem Gedächtnis zu tilgen. Es wäre ihr auch gelungen, wenn Beth nicht auf einmal so einen wirklich nervtötenden Anfall von Dickköpfigkeit gekriegt hätte. Ihre Freundin begann das Spiel damit, Cam mit ihrem »Penner-Zwilling« aufzuziehen. Immerhin aber musste man es ihr hoch anrechnen, gestand Cam sich widerstrebend ein, dass Beth die ganze Geschichte nicht in Gegenwart ihrer Eltern angesprochen hatte. »Ihr seid auch genau gleich groß!«, beharrte Beth, während sie frustrierend mühelos einen Schmetterball von Cam erwischte, der gerade noch vor der Linie aufgetroffen war. »Wie auch ungefähr die Hälfte aller Vierzehnjährigen weltweit«, argumentierte Cam, spielte auf Beths Rückhand und zwang ihre Freundin so dazu, dem Ball hinterherzuhetzen — doch Beth mit ihren langen Beinen war keinerlei Anstrengung anzumerken. »Und was soll der springende Punkt sein?«, fragte Cam und verfehlte Beths Rückschlag. »Der springende Punkt - eben! Der Punktestand ist jetzt jedenfalls dreißig-null«, verkündete Beth schadenfroh, bevor sie wieder aufschlug. Als der Ball an Cam vorbeizischte, fügte sie hinzu: »Ihr habt auch denselben Körperbau ...«
»Das heißt doch noch gar nichts. Jetzt komm schon, Beth, merkst du denn nicht, dass du maßlos übertreibst?« Cam hatte den Ball gefunden und warf ihn wieder zu Beth hinüber, die noch immer Aufschlag hatte. Dieses Mal vollführte Cam einen umwerfenden, wenn auch vollkommen unbeabsichtigten Stoppball, der Beth zwang, atemlos zum Netz zu stürzen. »Ich habe noch nie ... zwei so ähnliche ... Gesichter gesehen«, gelang es ihr trotz ihrer Verblüffung noch hervorzustoßen. »Jetzt gib Ruhe, Beth«, warnte Cam, die spürte, wie ihr Entschluss, die Sache einfach zu vergessen, langsam zu bröckeln begann. »Hör einfach auf damit.«
Irgendwo tief in ihrem Kopf fragte ein leises Stimmchen, warum sie sich eigentlich so aufregte.
»Und Cami, die Augen. Sie muss einfach deine Zwillingsschwester sein.«
Cam raste nach vorn. Ohne auf die Stimme und den Ball zu achten, traf sie am Netz auf ihre starrköpfige Freundin. »Nein, muss sie nicht!«
»Ich hab gewonnen!«, jubelte Beth, dann
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