Finstere Versuchung
auf, die sich unter den Gemälden der französischen Impressionisten befand, welche an den getäfelten Wänden hingen.
»Ich hoffe, du bist nicht hergekommen, um irgendetwas mit deinem Schwert aufzuspießen«, meinte er und nahm eine Flasche Comisario Tequila heraus.
»Eigentlich benötige ich deine Hilfe.«
»Schon wieder?« Santiago goss zwei ordentliche Schlucke des teuren Alkohols in Gläser. Als Styx diese Worte zuletzt ausgesprochen hatte, hatte der Fürst der Finsternis gedroht, die Welt zu zerstören, und er selbst war mit Nefri zusammen eingeteilt worden, um die verschollene Prophetin zu suchen. »Ich dachte, wir hätten die Situation überstanden, in der uns der Himmel auf den Kopf fiel, und alle seien in ihre neutralen Ecken zurückgekehrt, sodass wir so tun könnten, als seien wir nicht beinahe Hundefutter für die Höllenhorden geworden.«
Styx war nicht deshalb König geworden, weil er der härteste aller harten Kerle war. Sondern er war darüber hinaus auch erschreckend aufmerksam. Seine Augen verengten sich, und er forschte mit beunruhigender Intensität in Santiagos verbitterter Miene.
»Hat diese Angelegenheit etwas mit Nefri und ihrer Rückkehr zu ihrem Clan zu tun?«
Nein. Er würde auf gar keinen Fall darüber reden.
Mit einer ruckartigen Bewegung trat Santiago zu Styx und drückte ihm ein Glas in die Hand. »Hier.«
Der uralte Vampir ließ sich für einen kurzen Moment ablenken und nahm einen Schluck von dem starken Alkohol. Ein schwaches Lächeln legte sich auf seine Lippen. »Aus Vipers Weinkeller?«
»Selbstverständlich.«
Styx’ Lächeln wurde breiter. Obgleich beide räuberische Alphatiere waren, waren Styx und Viper, der Chicagoer Clanchef, enge Freunde geworden. Dies war fast so schockierend wie die Tatsache, dass Vampire und Werwölfe zu Verbündeten geworden waren. Zumindest vorübergehend.
Was nur bewies, dass der Weltuntergang wahrhaftig die ungewöhnlichsten Bündnisse möglich machte.
»Weiß er davon, dass du dir seinen Privatvorrat schmecken lässt?«
»Was er nicht weiß …« Santiago hob sein Glas zu einem spöttischen Trinkspruch, bevor er den Tequila mit einem Schluck austrank. »Salud.«
»Weißt du«, sagte Styx und stellte sein Glas beiseite, »vielleicht sollte ich mich als Psychologe versuchen.«
Santiago schenkte sich ein weiteres Glas ein. »Du sagtest, du würdest meine Hilfe benötigen.«
»Das hatte ich eigentlich vor, doch du befindest dich in einer gefährlichen Stimmung, amigo . Es ist die Art von Stimmung, die gute Vampire ins Grab bringt.«
»Es geht mir gut.« Santiago trank den Tequila aus und genoss das erlesene Brennen in der Kehle. »Sage mir, was du von mir willst.«
Es folgte eine lange Pause, bevor der König schließlich an seine Hüfte griff und einen Dolch hervorzog. »Erkennst du dies wieder?«
»Dios.« Santiago ließ sein Glas fallen und starrte schockiert auf die dekorative Silberklinge, die wie ein Blatt geformt war und über einen Lederschwertknauf verfügte, in den winzige Rubine eingelassen waren. »Ein Pugio«, stieß er hervor.
»Erkennst du ihn?«
Santiagos Ausbruch humorlosen Gelächters erfüllte für einen kurzen Moment den Raum. Ja, verdammt noch einmal, er erkannte den Pugio. Und das sollte er auch. Immerhin gehörte er seinem Erzeuger Gaius, der einst ein römischer General gewesen war.
Vor Jahrhunderten hatte er ehrfürchtig zugesehen, als Gaius ihm demonstriert hatte, welches die beste Methode war, seine Beute mit dem Dolch zu töten. Was für ein Narr er doch gewesen war.
Aber natürlich trug er nicht allein die ganze Schuld. Wie alle Findlinge war Santiago als Vampir erwacht, ohne sich an seine Vergangenheit zu erinnern, nur mit einem primitiven Überlebensinstinkt ausgestattet. Doch im Gegensatz zu anderen war er nicht zurückgelassen worden und hatte für sich selbst sorgen müssen. O nein. Gaius hatte ihn wie einen Sohn behandelt und ihn gelehrt, sein getreuester Krieger zu werden.
Aber all das hatte in der Nacht ein Ende gefunden, in der ihr Clan angegriffen wurde. Santiago war unterwegs gewesen, aber er wusste, dass Gaius gezwungen worden war zuzusehen, wie seine geliebte Gefährtin Dara auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Gaius hatte sich, versunken in seinen Kummer, hinter den Schleier zurückgezogen, wo er nach dem Frieden suchte, den dieser zu bieten schien.
Natürlich war das alles nichts anderes als ungeheurer Bockmist gewesen.
Gaius hatte sich von dem Versprechen des Fürsten der
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