Finsteres Verlangen
bin harmlos«. Auf keinen Fall sollte jemand denken, ich könnte zur Waffe greifen, das wäre schlecht.
»Er ist ein Freund«, wiederholte ich. Meine Stimme klang ein bisschen zu hoch, ansonsten aber ruhig.
»Wessen Freund?«, fragte Nicols.
»Meiner.«
»Also, meiner nicht«, sagte ein Streifenpolizist.
»Er stellt keine Gefahr dar«, hielt ich ihm entgegen und drängte mich dichter an Asher, sodass ich ihn der Länge nach an mir spürte.
Er sagte etwas auf Französisch, und jeder fasste seine Waffe energischer. »Englisch, Asher, sprich Englisch.«
Er holte zitternd Luft. »Es war nicht meine Absicht, jemanden zu erschrecken.«
Es war gar nicht so lange her, da durfte die Polizei Vampire noch beim ersten Anblick erschießen, nur weil sie Vampire waren. Vor vier Jahren hatte Addison V. Clark Vampire per Gesetz zu »lebendigen« Wesen erklärt. Seitdem waren sie Bürger mit Rechten, und sie ohne triftigen Grund zu erschießen war Mord. Trotzdem kam es noch hin und wieder vor.
»Wenn Sie schießen, obwohl ich vor ihm stehe, können Sie sich von Ihren Dienstmarken verabschieden.«
»Ich hab keine zu verlieren.« Es war natürlich Balfour, der sich hart gab, aber er hatte auch eine große Kanone, die zu seinen Sprüchen passte.
Ich sah ihn an. »Wenn Sie schießen, töten Sie besser mich, denn eine zweite Chance kriegen Sie nicht.«
»Niemand erschießt hier irgendwen«, sagte Nicols, und ich stand nah genug, um ihn »verdammte Scheiße«, murmeln zu hören.
Er schwenkte seine Waffe zu den Leibwächtern hinüber. »Stecken Sie die Knarren ein, sofort.« Seine Kollegen folgten seinem Beispiel, und plötzlich zeigten die Läufe nicht mehr auf mich, sondern auf Balfour und Rex. Ich seufzte tief und ließ mich ein wenig gegen Asher sinken.
Eigentlich war er nicht so dumm, überraschend aus der Luft zwischen Leuten zu landen, insbesondere wenn Polizisten darunter waren. Nichts erschreckt die Leute so sehr, wie einen Vampir Dinge tun zu sehen, die für Menschen unmöglich sind. Außerdem hatte er Französisch gesprochen. Das hieß, er war so wütend oder aufgewühlt, dass er sein Englisch vergaß. Es musste etwas passiert sein. Ich konnte ihn jetzt nur nicht danach fragen, noch nicht. Erst mal musste ich uns aus der Schusslinie bringen, dann ließ sich das Übrige erledigen.
Wir standen so nah beisammen, dass seine welligen goldblonden Haare meine schwarzen Locken streiften. Er legte die Hände auf meine Schultern, und ich spürte seine Anspannung. Er hatte Angst. Was war los?
Die Polizisten hatten inzwischen die Leibwächter überredet, die Waffen wegzustecken. Die Kollegen von der Streife teilten sich auf und geleiteten die beiden Parteien zu ihren jeweiligen Fahrzeugen. Blieben noch Nicols, der Richter und die Schreiberin. Wenigstens tippte die nicht mehr.
Nicols wandte sich mir stirnrunzelnd zu. Er hielt seine Pistole gesenkt und tippte sich damit ans Hosenbein. Nach einem kurzen Blick zu Asher sah er mich an. Er riskierte es nicht, dem Vampir in die Augen zu sehen und vielleicht in dessen Bann zu geraten. Ich selbst war immun dagegen, denn ich war der menschliche Diener von Jean-Claude. Durch ihn war ich vor fast allem sicher, was Asher tun konnte. Nicht vor allem, aber vor fast allem.
Nicols war offensichtlich unzufrieden. »Na schön. Was ist so verdammt dringend, dass er hier angeflogen kommen musste?«
Mann, er war tatsächlich gut. Zog den logischen Schluss, dass nur ein Notfall Asher hergebracht haben konnte.
Sein Blick huschte erneut nach oben, dann zurück zu meinem Gesicht. »Auf die Art kann man leicht erschossen werden, Mr …«
»Asher«, antwortete ich.
»Sie habe ich nicht gefragt, Ms Blake, sondern ihn.«
»Ich heiße Asher«, sagte er mit einer Stimme, die wie eine Liebkosung klang. Er setzte seine Vampirkräfte ein, um sich sympathischer zu machen. Wenn Nicols das mitkriegte, ginge der Schuss nach hinten los. Aber ich konnte keine Reaktion entdecken.
»Was ist los, Mr Asher?«
»Nur Asher«, korrigierte er. Seine Stimme glitt mir beruhigend über die Haut. Ich hatte eine gewisse Widerstandsfähigkeit dagegen, aber Nicols nicht.
Der blickte verständnislos und runzelte die Stirn. »Na schön, Asher, warum der Auftritt?«
Ashers Fingerspitzen drückten sich kurz in meine Haut, und ich spürte ihn Luft holen. Eine Sekunde lang hoffte ich, er würde bei Lieutenant Nicols nicht den Obi-Wan machen. Sie wissen schon: Das sind nicht die Droiden, die ihr sucht. Dafür wäre Nicols zu
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