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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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verdecken.
    »Man darf es nun einmal nicht, das ist alles.«
    »Was darf man nicht? Sein Territorium gegen Übergriffe verteidigen?«
    »Das Oberhaupt seiner eigenen Blutlinie angreifen, den Quell seines Blutes, das darf man einfach nicht.«
    »Ja, aber warum nicht? Belle hat uns beleidigt. Nicht umgekehrt. Jean-Claude hat in gutem Glauben verhandelt. Musette ist hier der böse kleine Vampir. Und wenn sie mit Belles Segen kommt, dann missbraucht Belle ihren Status. Sie glaubt, wir nehmen hin, was sie austeilt.«
    »Austeilt?«
    »Sie denkt, wir schlucken es, ohne uns zu beschweren.«
    »Sie hat recht«, sagte Asher.
    Ich blickte ihn stirnrunzelnd an, dann sah ich genauso stirnrunzelnd auf die Straße. »Warum? Warum können wir nicht eine Beleidigung wie die andere behandeln?«
    Er fuhr sich durch die dicken Haare, strich sie aus dem Gesicht. Die Straßenlampen tauchten es in Licht und Schatten. Wir hielten an der nächsten Ampel und neben uns ein SUV, dessen Fenster mit unseren auf gleicher Höhe war. Die Frau am Steuer schaute flüchtig herüber, dann schaute sie ein zweites Mal. Ihre Augen wurden rund, und Asher bemerkte es nicht einmal. Ich blickte sie an, und sie sah verlegen weg, weil ich sie beim Anstarren ertappt hatte. Amerikaner werden erzogen, nichts anzustarren, das nicht makellos ist. Als ob das die Sache erst zur Wirklichkeit werden ließe. Beachte es nicht, dann geht es weg.
    Asher bekam davon nichts mit. Die Ampel sprang um, und wir fuhren weiter. Asher ließ fremde Leute sein Gesicht sehen und nahm die Wirkung nicht wahr. Egal wie zornig, wie traurig, wie sonst was, er vergaß sonst nie seine Narben. Sie beherrschten seine Gedanken, sein Verhalten, sein Leben. Dass er jetzt nicht daran dachte, zeigte, wie ernst die Lage war, und ich verstand noch immer nicht, warum.
    »Ich verstehe es nicht, Asher. Wir haben uns schon gegen andere Ratsmitglieder verteidigt, die in unser Territorium eingedrungen sind. Wir haben unser Möglichstes getan, um sie zu töten. Wo liegt der Unterschied?«
    Er ließ die Haare wie einen Vorhang nach vorn fallen, aber sicher nicht bewusst. »Sie waren nicht Belle Morte.«
    »Wo liegt der Unterschied?«
    »Mon Dieu, begreifst du denn nicht, was es heißt, dass sie die Mutter unserer Linie ist?«
    »Offenbar nicht. Erkläre es mir. Wir fahren zum Zirkus, ja? Bis dahin ist es noch ein gutes Stück. Du hast also Zeit.«
    »Oui.« Er starrte zum Fenster hinaus, als suchte er Inspiration bei den hell erleuchteten Einkaufszentren und Fastfood-Restaurants.
    Schließlich blickte er mich an. »Wie soll ich dir begreiflich machen, was du nie erfahren hast? Du hattest nie einen König oder eine Königin. Du bist Amerikanerin und jung, und du verstehst nicht, welche Pflicht man gegenüber einem Lehnsherrn hat.«
    »Schätze nein.« Ich zuckte die Achseln.
    »Wie willst du dann verstehen, was wir Belle Morte schulden und dass es … Verrat wäre, die Hand gegen sie zu erheben?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das ist eine schöne Theorie, Asher, aber ich hatte schon genug mit Vampiren zu tun, um eines zu wissen: Wenn wir uns von ihr herumschubsen lassen, wird sie das als Schwäche werten. Sie wird uns immer weiter schubsen, bis sie genau sieht, wie schwach oder wie stark wir sind.«
    »Wir sind nicht im Krieg gegen Belle Morte«, hielt er mir entgegen.
    »Nein, aber wenn sie uns für schwach hält, könnte es dazu kommen. Ich habe erlebt, wie ihr vorgeht. Der große Vampirfisch frisst die kleinen Vampirfische. Wir dürfen Musette oder Belle Morte nicht glauben lassen, dass wir die kleinen Fische sind.«
    »Anita, begreifst du es immer noch nicht? Wir sind kleine Fische. Verglichen mit Belle Morte sind wir sogar sehr kleine Fische.«

5
    E s fiel mir wirklich schwer zu glauben, dass wir sehr kleine Fische waren. Wir waren vielleicht keine großen Fische, aber das war nicht dasselbe wie sehr kleine. Doch Asher war so offensichtlich davon überzeugt, dass ich nicht widersprach.
    Ich rief vom Handy aus alle möglichen Leute an, um Musettes frühzeitige Ankunft bekannt zu machen. Richard mochte noch sauer auf mich sein, trotzdem war er der Dritte in unserem Machttriumvirat aus Ulfric, Meistervampir und Nekromant. Er war Jean-Claudes gehorsames Tier und ich dessen menschlicher Diener, ob uns das nun passte oder nicht. Ich rief auch Micah Callahan an, meinen Nimir-Raj, der sich um mein Rudel kümmerte, wenn ich anderes zu tun hatte. Das kam so häufig vor, dass ich auf seine Hilfe angewiesen war. Er

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