Finsteres Verlangen
trug.
Leo Harlan wurde mir immer unsympathischer.
Noch lächelnd stellte ich meine Tasse behutsam auf meine Schreibunterlage. Ich hatte beide Hände frei, Schritt eins. Die Browning ziehen wäre Schritt zwei. Hoffentlich ließ er sich vermeiden.
»Ich möchte, dass Sie einen meiner Vorfahren erwecken, Ms Blake. Ich wüsste nicht, wie meine Arbeit dabei von Bedeutung sein könnte.«
»Tun Sie mir den Gefallen«, sagte ich noch lächelnd, doch es rutschte mir bereits aus den Augen wie schmelzendes Eis.
»Warum sollte ich?«
»Weil ich mich sonst weigere, Ihren Fall anzunehmen.«
»Mr Vaughn hat mein Geld bereits angenommen. In Ihrem Namen.«
Diesmal lächelte ich ehrlich erheitert. »Eigentlich ist Bert nur der Geschäftsführer von Animators Inc. Die meisten von uns sind Teilhaber der Firma, wie in einer Anwaltskanzlei. Bert kümmert sich um den Papierkram, aber er ist nicht mehr mein Boss.«
Harlans Gesicht wurde, sofern das möglich war, noch stiller, noch verschlossener. Es war, als blickte man auf ein schlechtes Gemälde, das handwerklich perfekt ist, aber kein Leben ausstrahlt. Die einzigen Menschen, von denen ich so etwas kannte, waren die gruseligen.
»Von Ihrer Statusänderung habe ich nichts gewusst, Ms Blake.« Seine Stimme klang jetzt einen Ton tiefer, blieb aber leer wie sein Gesicht.
Er ließ bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen, und meine Schultern verspannten sich unter dem Drang, als Erste zu ziehen. Automatisch nahm ich die Hände vom Schreibtisch. Erst als er seine aus dem Schoß auf die Armlehnen hob, bemerkte ich, was ich getan hatte. Wir hatten beide die Hand näher an die Waffe gebracht.
Plötzlich hing die Anspannung wie ein nahendes Gewitter in der Luft. Es gab keinen Zweifel mehr. Ich sah in seine leeren Augen und auf das kleine Lächeln. Diesmal war es echt, kein Fake. Wir standen kurz davor, von allem, was ein Mensch dem anderen antun kann, das Unbestreitbarste zu tun. Wir waren bereit, einander zu töten. Ich beobachtete nicht seine Augen, sondern seinen Oberkörper und wartete auf die eine verräterische Bewegung. Und wir wussten es beide.
In diese lastende Spannung fiel seine Stimme wie ein Stein in einen tiefen Brunnen. Allein deswegen wollte ich schon ziehen. »Ich bin Auftragskiller, aber ich bin nicht ihretwegen hier, Anita Blake.«
Ich ließ seinen Oberkörper nicht aus den Augen, die Anspannung ging nicht zurück. »Warum sagen Sie es mir dann?« Meine Stimme war weicher als seine, beinahe sanft.
»Weil ich nicht nach St. Louis gekommen bin, um jemanden zu töten. Ich bin wirklich nur daran interessiert, meinen Vorfahren von den Toten erwecken zu lassen.«
»Warum?«, fragte ich und beobachtete meiner Anspannung gemäß weiter seinen Oberkörper.
»Selbst Berufskiller haben Hobbys, Ms Blake.« Sein Ton war sachlich, aber sein Körper blieb sehr, sehr still. Plötzlich begriff ich, dass er versuchte, mich nicht zu erschrecken.
Kurz sah ich ihm ins Gesicht. Es war nach wie vor nichtssagend, unnatürlich leer, trotzdem war da … eine Spur Belustigung.
»Was ist so komisch?«, fragte ich.
»Ich wusste nicht, dass man mit einem Besuch bei Ihnen das Schicksal herausfordert.«
»Inwiefern?« Ich wollte die Anspannung halten, aber sie entglitt mir. Er klang zu normal, zu spontan ehrlich, als dass ich weiter glauben konnte, er würde gleich die Waffe ziehen und mich erschießen. Es kam mir plötzlich albern vor, und dennoch … ein Blick in seine toten Augen, die doch nicht restlos heiter waren, und es erschien mir gar nicht mehr albern.
»Überall auf der Welt gibt es Leute, die mich liebend gern tot sehen würden, Ms Blake. Und einige haben dafür beträchtliche Summen und Mühen aufgewendet, aber bis heute kann keiner behaupten, dass es ihm auch nur beinahe gelungen wäre.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das war nicht beinahe.«
»Normalerweise würde ich Ihnen zustimmen, aber ich weiß einiges über Ihren Ruf. Darum trage ich meine Waffe nicht wie sonst. Sie haben sie bemerkt, als ich eben nach der Tasse gegriffen habe, stimmt’s?«
Ich nickte.
»Hätten wir ziehen müssen, wäre ihr Holster ein paar Sekunden schneller gewesen als mein Jacketttaschenmist, den ich da trage.«
»Warum tragen Sie ihn dann?«
»Einerseits wollte ich Sie nicht nervös machen, indem ich bewaffnet herkomme, andererseits gehe ich nirgendwohin unbewaffnet. Ich hielt diese Lösung für geschickt und dachte, Sie würden es nicht bemerken.«
»Hätte ich auch beinahe
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