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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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alles blieb ruhig, weil er im Irrtum war.
    »Ich bin kein Gestaltwandler, Mr Harlan.«
    Seine Augen wurden schmal. »Ich glaube Ihnen nicht, Ms Blake.«
    Ich seufzte. »Das ist mir ziemlich egal, Mr Harlan. Ob ich ein Lykanthrop bin oder nicht, hat für meine beruflichen Fertigkeiten keinerlei Bedeutung.«
    »Den Gerüchten nach sind Sie die Beste, doch Sie sagen mir ständig, die Gerüchte seien falsch. Sind Sie wirklich so gut, wie behauptet wird?«
    »Besser.«
    »Es heißt, Sie hätten schon ganze Friedhöfe erweckt.«
    »Ihretwegen werde ich noch eingebildet.«
    »Heißt das, es ist wahr?«
    »Spielt das wirklich eine Rolle? Ich sage es noch einmal: Ich kann Ihren Vorfahren erwecken, Mr Harlan. Ich bin einer der wenigen, wenn nicht der einzige Animator im Land, der das ohne Menschenopfer tun kann.« Ich schenkte ihm mein professionelles Lächeln, das so strahlend und bedeutungslos ist wie eine Glühbirne. »Wäre Ihnen der nächste Mittwoch oder Donnerstag recht?«
    Er nickte. »Ich gebe Ihnen meine Handynummer, damit Sie mich jederzeit erreichen können.«
    »Haben Sie es damit eilig?«
    »Sagen wir so: Man weiß nie, wann ein Angebot hereinkommt, dem man nicht widerstehen kann.«
    »Ihnen geht es nicht nur um Geld«, schloss ich.
    Das echte Lächeln kam zum Vorschein. »So ist es, Ms Blake. Ich habe genug Geld, aber eine Aufgabe, die neue Herausforderungen bietet … die suche ich ständig.«
    »Überlegen Sie gut, was Sie sich wünschen, Mr Harlan. Es gibt immer jemanden, der größer und gemeiner ist als man selbst.«
    »Das habe ich noch nicht festgestellt.«
    Ich musste schmunzeln. »Dann sind Sie entweder furchterregender, als Sie scheinen, oder Sie sind noch nicht den richtigen Leuten begegnet.«
    Einen Moment lang sah er mich an, bis mir das Lächeln aus den Augen rutschte und ich ihn genauso leer anblickte wie er mich. Zugleich strömte Ruhe in mich. Dieselbe friedvolle Ruhe, mit der ich tötete, ein weißes Rauschen, bei dem nichts wehtat, nichts fühlbar war. Während ich in Harlans leere Augen sah, fragte ich mich, ob auch sein Kopf weiß und leer war und rauschte. Fast hätte ich ihn danach gefragt, aber ich verkniff es mir, weil ich dachte, er habe bei allem gelogen und werde gleich die Waffe ziehen. Das würde erklären, warum er wissen wollte, ob ich ein Lykanthrop war. Ein, zwei Augenblicke lang dachte ich, ich würde ihn töten müssen. Das erschreckte mich nicht und machte mich auch nicht nervös; ich richtete mich lediglich darauf ein. Ob er leben oder sterben würde, war seine Entscheidung. Das war eine dieser langsamen Sekunden, wo Entscheidungen gefällt und Leben beendet werden.
    Dann schüttelte er sich, wie ein Vogel sein Gefieder. »Eigentlich hatte ich selbst zu bedenken geben wollen, dass ich in der Tat sehr furchteinflößend bin, aber das schenke ich mir. Es wäre albern, weiter mit Ihnen zu spielen, als würde ich eine Klapperschlange mit dem Stock reizen.«
    Ich sah ihn unverwandt und mit derselben tödlichen Ruhe an. Mein Ton war genauso ruhig und bedächtig. »Ich hoffe, Sie haben mich nicht angelogen, Mr Harlan.«
    »Das hoffe ich ebenfalls, Ms Blake«, erwiderte er mit beunruhigendem Lächeln. Nach dieser doppeldeutigen Antwort öffnete er behutsam die Tür, ohne den Blick abzuwenden, dann drehte er sich um und ging schnell hinaus. Die Tür schloss sich, und ich stand da mit meinem aufgestauten Adrenalin, das nur ganz langsam abfloss.
    Es war nicht Angst, was mich lähmte, sondern das Adrenalin. Ich verdiente mein Geld als Totenerwecker und staatlich bestellter Vampirhenker. War das nicht ungewöhnlich genug? Musste ich auch noch furchterregende Klienten bekommen?
    Ich hätte Harlan sagen sollen, dass er Unmögliches verlangte, doch ich hatte ihm die Wahrheit gesagt. Ich konnte tatsächlich so alte Tote wecken, und kein anderer im Land war dazu imstande, jedenfalls nicht ohne Menschenopfer. Aber wenn ich abgelehnt hätte, da war ich mir ziemlich sicher, wäre Harlan zu jemand anderem gegangen. Zu jemandem, der weder meine Fähigkeiten noch meine moralischen Skrupel hatte. Manchmal lässt man sich tatsächlich mit dem Teufel ein; nicht weil man es will, sondern weil es sonst ein anderer tut.

2
    D er Lindel-Friedhof war einer dieser modernen, wo die Grabsteine flach liegen und Bepflanzung nicht gestattet ist. Das erleichtert das Rasenmähen, schafft aber auch eine deprimierende Leere. Nichts als flaches Gelände mit Rechtecken in der Dunkelheit, so leer und kalt wie die

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