Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers

Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
Vom Netzwerk:
Gefahr?«
    »Sire, ich habe allen Grund anzunehmen, daß Cranachan beabsichtigt, uns die diesjährige – und jede zukünftige – Jahresproduktion Lemmingpelz vor der Nase wegzuschnappen.«
    Der König beugte sie über den Eichentisch, starrte dem Prospektor in die Augen und winkte ihn wortlos näher zu sich heran.
    »Es liegt jetzt beinahe ein Jahr zurück, daß man mir das hier überreicht hat …« Franck reichte dem Sekretär eine Pergamentrolle. »Der Besitztitel auf jene Gegend in den Krapathen, die Fortpflanzungs- und Aufzuchtrevier der Lemminge ist, mithin auch die Deklaration des Eigentumsrechts an deren Fellen.«
    Der König sah auf. Und als er schließlich verstanden hatte, wurde er bleich im Gesicht.
    »Rechtsverdrehergewäsch! Kann das Kauderwelsch nicht ausstehen! Aber … Ist es wirklich so?«
    »De jure ja, Sire. De facto aber haben sie keinen Anspruch auf die Felle, sobald die Lemminge einmal in den Luftraum von Isolon eingedrungen sind, weil a) letzere dieses aus freien Stücken tun und b) wir kein Import-Export-Abkommen mit den Cranachiern haben.«
    »Dann ist ja alles in Ordnung, oder?«
    »Nun, Sire, das könnte es sein … Es kommt aber noch schlimmer: In diesem Jahr wird – und das, Sire, zum erstenmal seit Menschengedenken – der Flug der Lemminge auf cranachischem Gebiet anlanden.«
    »Jenseits der Grenze?«
    Franck nickte gravitätisch.
    »Gibt’s nicht. Sie können den Grenzverlauf nicht einfach abändern. Nicht ohne meine Erlaubnis. Nicht einmal ich kann das ohne meine Erlaubnis. Und ich bin immerhin der König!«
    »Sie haben die Grenze überhaupt nicht angetastet, Sire.«
    »Versuch nicht, mich auf den Arm zu nehmen! Was geht da draußen vor sich? Was ist anders geworden? Was hat sich geändert?«
    »Der Berg.«
    Der König verstummte schlagartig. Als wäre ihm, der sich eben noch aufgeblasen und große Töne gespuckt hatte, urplötzlich die Luft ausgegangen. Er schielte über den Rand seiner Lesebrille, pochte mit dem Hörrohr auf die Tischplatte aus Eichenholz, hielt sich das Gerät dann wieder ans Ohr und fragte kaum hörbar: »Der Berg?«
    »Der Berg«, bestätigte Franck.
    »Also doch. Hab mir fast gedacht, ich hätte so etwas gehört.« Er zupfte sich am Schnurrbart.
    Seine Hoheit, König Kharthezsh von Isolon, nahm seinen Löffel und rührte nachdenklich in dem mittlerweile lauwarm und ungenießbar gewordenen Haferbrei. In seinem Kopf wurden gealterte neuronale Bahnen, verstopft durch jahrelange mentale Vernachlässigung, von der Machete des gerechten Zorns freigeholzt. Sein Gesicht veränderte sich, es schien sich zu verjüngen, lebendiger zu werden.
    »Verflucht noch mal!« sagte er. »Das ist einfach nicht drin!« Dumpf platschend klatschte der Löffel in dem Haferschleim, der Monarch erhob sich, richtete sich zu voller Größe auf, starrte den Sekretär an und brüllte: »Holt mir die Kriegsherren von Isolon herbei … Auf der Stelle!«
    Nach einer flüchtigen Verbeugung in Richtung König rannte der Sekretär, schwindlig im Kopf von dieser Anordnung aus dem Saal. Die Kriegsherren! Seit ewigen Zeiten hat es keine Versammlung der Kriegsherren mehr gegeben. Seit, oooh, nicht seit … muß vor meiner Zeit als Sekretär gewesen sein, und … und das war, nachdem ich … oder war’s bevor ich … nein, nachdem ich, ganz bestimmt nachdem ich … wenn’s andersrum gewesen wär, wär ich nicht … Mensch Meier, ist ewig lang her! Und während von allen Ecken und Enden und aus den hintersten Winkeln von Schloß Isolon die obersten militärischen Befehlshaber zusammengetrommelt wurden, setzte Franck den König über die ganze Angelegenheit genauestens ins Bild. Rollte Karten aus, legte Grafiken vor, nannte Verkaufsziffern, geplante Verkaufsziffern, zeigte Gewinnaufschlüsselungen und Verlustprognosen, jahreszeitlich bestimmte Arbeitslosenzahlen in der Krapathenregion. Informierte ihn über den Stand der cranachischen Straßenbauunternehmungen auf der Felskante, zog Pergamentrolle um Pergamentrolle aus den Futteralen und lieferte den schlüssigen Nachweis, daß der Lemmingsfellproduktion Gefahr drohte. Wenn nicht schnell und entschlossen gehandelt wurde, würde 1025 MEZ das letzte Jahr sein, in dem es Lemmingfell isolonscher Herkunft gab.
     
    Nachdem Whintz, der Fahrende Zauberer, in der Nachmittagssonne eingenickt war, streifte sich sein Geist die Schuhe ab und tollte fröhlich über die blühenden Wiesen seiner Erinnerung. Stieß eine Tür auf, lugte in einen künstlich

Weitere Kostenlose Bücher