Firkin 1: Der Appendix des Zauberers
umständlich, zu wenig einprägsam. Es mußte kürzer sein, prägnanter. ›Krapath GmbH‹ vielleicht, oder ›Krapa‹ … Krapa, Krapa: Mit diesem Namen, so war ihm eingefallen, ließen sich möglicherweise Werbeveranstaltungen in Privatwohnungen durchführen, sogenannte ›Krapa-Parties‹… Schließlich hatte er sich aber ganz einfach für Krapathische Pelzhandelsgesellschaft mbH entschieden – eine grundsolide, konservativ-gediegene Firmenbezeichnung.
Er hätte sich keine Sorgen machen müssen. Innerhalb weniger Monate hatte sich Lemmingfell durchgesetzt. Aus Lemmingfell wurden die verschiedensten Kleidungsstücke einschließlich der dazugehörigen wichtigen Accessoires hergestellt, Lemming war Dernier cri. An allen Ecken und Enden der Welt schossen Verkaufsstellen wie Pilze aus dem Boden, lieferten warme Unterwäsche für die verängstigten Stämme, die die schrecklichen Eiswüsten der Angstarktik bewohnten; Kampfbikinis für die Frauen der Kanutenvölker in der Östlichen Lausee; gepolsterte Knieschoner für die Kooperativen der fliegenden Mönche im Gagalaya; strapazierfähiges Schuhwerk mit weichen Sohlen für die Tanzenden Derwische im Winduhusch – um nur einiges zu nennen. Jeder, der etwas darstellte, hatte etwas in Lemming. Selbst diejenigen, die nichts darstellten, hatten etwas in Lemming. Und alle wollten etwas in Lemming. Die Preise schnellten in die Höhe, und das Geld regnete vom Himmel – wie die Fallschirmspringer in den Nördlichen Wüsteneien von Tschkk, die so prächtig anzuschauen waren in ihren Lemmingfell-Fezen und ihren zeremoniellen Flugdrachen.
Schon bald zogen Menschen in das Tal, gründeten eine kleine Ansiedlung und bereiteten sich auf die zweite Saison vor. Der Prospektor hatte Angestellte. Er war glücklicher als je zuvor. Er hatte einen festen Wohnsitz, ein ordentliches Bett, und sein Leben hatte einen Zweck.
Endlich, nachdem er es jahrzehntelang versucht hatte, endlich hatte er etwas zustande gebracht.
Er hatte es geschafft.
An einem hellen Sommerabend saß der Prospektor hoch oben in den krapathischen Bergen an seinem Lieblingsplatz, auf einem Felsbrocken vor der Felswand und blickte hinab auf die Menschen drunten im Tal. Er nahm noch einen Schluck von seinem neuen Lieblingscocktail, Lemmo mit Schuß [iv] , und sagte sich: Nur noch ein paar Minuten – dann geht’s bergab.
Tief unter ihm, in dem sauber herausgeputzten und frisch gestrichenen kleinen Dorf, das sich im Schatten der riesigen Felswand zusammendrängte, wuchs die Spannung. Der ganze Ort war wie ein Theatersaal vor einer Premiere, jeder wartete nur noch auf den Moment, in dem sich der Vorhang heben sollte. Das anschließende Schauspiel würde allerdings eine Richtung nehmen, die der Aufwärtsbewegung des Vorhangs genau gegenläufig war. Die Vorbereitung waren getroffen, die Öfen in den Darren geschürt, alles war mindestens dreimal sorgfältig überprüft und kontrolliert worden. Jeder starrte wie gebannt auf die Abbruchkante hoch oben an der Felswand.
Nur einer nicht: ein hochgewachsener, hagerer, schwarzgekleideter Mann, der langsam im Dorf umherwanderte. Geräuschlos drehten sich die Augen in den Höhlen, peilten um Ecken, spähten unter Verhülltes, lugten durch Türen, die offenstanden. Sie forschten, sammelten Informationen, registrierten Wissenswertes.
Hätte ihn jemand schon früher an diesem Abend einmal beobachtet, dann hätte er wahrscheinlich verwundert gesehen, wie dieser Mann ein merkwürdiges Meßinstrument aus seiner Tasche nahm, auf dem eine Vernierskala und ein winziges Okular angebracht waren. Und vermutlich hätte er sich noch mehr gewundert, wenn er gesehen hätte, wie dieser Mann den Sextanten ans Auge hob, die Felswand entlangblickte, das Instrument dann wieder absetzte, einen Kompaß und eine Sternkarte konsultierte und etwas in ein kleines schwarzes Buch schrieb. Und vermutlich hätte den Beobachter ein unbehagliches Gefühl beschlichen, wenn er gesehen hätte, wie sich der hochgewachsene hagere Mann mit einem zufriedenen Grinsen und kaum verhohlener Gier die Hände rieb, die in schwarzledernen Panzerhandschuhen steckten.
Das lag mittlerweile mehrere Stunden zurück. Jetzt stiegen, schüchtern beinahe, die ersten schwachen Strahlen des kalten Lichts der Morgendämmerung über den Horizont. Unten im Tal warteten der Prospektor und die Dorfbewohner und blickten gebannt und stumm vor Aufregung auf die Felskante hoch über ihnen. Es herrschte eine beinahe religiöse, adventliche
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