Firkin 2: Die Frösche des Krieges
Lief um eine Kurve, durch eine Schlucht aus Bücherwänden und wäre beinahe über Courgette gestolpert, die vor dem untersten Fach des Regals mit den Wörterbüchern am Boden kauerte.
»Mach schon!« Sie schnaufte, keuchte und zog – wie eine übergeschnappte Drossel, die sich mit einem außerordentlich sturen Wurm abplagte – an einem Ring, der im Boden eingelassen war. Hogshead spuckte sich in die Hände. Warum er das tat, wußte er selbst nicht so genau. Er hatte nur beobachtet, daß manche Soldaten das taten, wenn sie irgend etwas Sperriges verschieben, zur Seite rücken oder wegschleppen wollten: schwere Fässer zum Beispiel, störrische Esel, oder auch die bis zum Platzen vollgestopften Einkaufstaschen ihrer Frauen. Dann holte er tief Luft und zog. Es knarrte … Hogshead hoffte, daß nicht er das gewesen war. Er zog noch einmal, Courgette half mit, und mit vereinten Kräften schafften sie es und hoben mit dem Ring ein Stück des Fußbodens an. Über Jahre angesammelter Staub wirbelte hoch und kitzelte Courgette in der Nase.
»Ich bin schon einmal darüber gestolpert«, flüsterte sie. Sie atmete schwer und rümpfte die Nase. »Ich wette, das ist es, was du gesucht hast.«
Hogshead blickte auf das dunkle Loch im Boden. »Eine Falltür. Natürlich! Natürlich nicht auf den Regalen!«
Es raschelte in seiner Tasche, Ch’tin spähte über den Rand und schielte in das schwarze Rechteck. Er grinste selbstgefällig – ein kluges Mädchen, diese Courgette.
»Na also! Hier, nimm das da mit!« Courgette nahm eine brennende Fackel von der Wand und gab sie Hogshead.
»Du vergißt wohl nie was, oder? Danke.« Eine Steintreppe führte in die Tiefe. Sie verschwand sehr bald schon in spinnwebverhangener Schwärze. Hogshead holte tief Luft und ließ sich ins unbekannte Dunkel hinab. Die Fackel flackerte – ein kalter Luftzug strömte nach oben, hinauf in die Freiheit, in die Bibliothek. Hogshead zitterte und schluckte nervös. Nur einen Augenblick später war er unter dem Boden verschwunden und stand in einem engen Korridor, der wie ein natürlicher Höhlengang aussah und mit einem sanften Gefälle nach unten führte. Courgette ging dicht hinter ihm. Das beruhigte ihn ein wenig – ihm war immer wohler, wenn sie in der Nähe war. Komisch …
Vorsichtig schlichen sie durch das vom flackernden Schein der Fackel nur schwach erhellte Dunkel nach unten. Bei jedem Schritt wirbelten kleine Wolken aus pulvertrockener Erde auf; es schien, als wäre seit Jahrhunderten niemand mehr hier gegangen. Seltsame Zeichnungen zierten die rauhen Felswände, bildeten unbegreifliche Muster: manche wie buntleuchtendes Feuer, das lodernd Hunderte von schwarzen Käfern hervorrief; andere, die wie Blätter oder Küstenlinien aussahen; wieder andere wie beliebig, aber doch regelmäßig geordnet, und alle unglaublich komplex. Faszinierend waren die Detailansichten: je näher Hogshead hinsah, um so kunstvoller und komplizierter erschienen sie ihm. Es wurde ihm schwindlig, ihm war, als würde er in den wirbelnden teuflischen Plan des Chaos hineingezogen.
Sie marschierten weiter (Ch’tin lugte aus Hogsheads Tasche), bis der Gang eine Idee breiter wurde und sich zu einer kleinen Kammer öffnete: Ende des Wegs, der Korridor war eine Sackgasse! Ehrfürchtig staunend standen sie im flackernden gelben Lichtschein der Fackel und sahen sich um, ihre Schatten tanzten in wilden wirbelnden Sprüngen über die rauhen Felswände. Die Kammer war mit unzähligen Bücherborden bestückt, die sich unter der gewaltigen Last magischer Schriften bogen. Wie Moskitonetze hingen seidigglänzende Spinnweben vor den Regalen, gaben dem Raum etwas vom uralten Mysterium des Brautgemachs und verhüllten die unendlich vielen Bücher, die nur darauf warteten, geöffnet zu werden.
Endlich! Endlich hatten sie sie gefunden: die Sammlung der magischen Bücher, die es – wie Hogshead immer gewußt hatte – in einem Schloß dieser Größe einfach geben mußte!
Courgette schlug ihm heftig auf die Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: »Hab doch gesagt, daß sie hier unten sein müssen.« Sie lächelte ihn entwaffnend an.
»Hmmmmpf. Gut gemacht!« Na gut, fügte er für sich hinzu, kann ja sein, daß sie mir ein wenig geholfen hat. Aber ich hätte sie schon noch gefunden – keine Frage!
Ch’tin lugte über den Rand der Tasche und grinste wurmig. Magische Bücher! Meine Lieblingslektüre!
Diesmal krieg ich ihn, dachte Firkin. Diesmal soll er bluten!
Er kletterte wieder
Weitere Kostenlose Bücher