Fischland-Rache
allem, was Sie vorhin zu Sascha gesagt haben, und ich war auch nicht viel besser. Wird Zeit, dass ich wenigstens ein kleines bisschen davon wieder in Ordnung bringe. Wenn Sie mir schon nicht glauben, dass ich Sie davor bewahren will, was Dummes zu tun, glauben Sie mir wenigstens, dass ich das für Mirko tue. Gehen Sie jetzt.«
»Ich denk nicht dran!« Inga trat einen bedrohlichen Schritt auf Peters zu.
Er hätte sie gern angesehen, stattdessen rührte er sich keinen Millimeter, den Blick unvermindert auf Sascha gerichtet, den er mit der Waffe in Schach hielt. Seine Worte jedoch galten ihr. »Ich kann Sie nicht zwingen. Ich verstehe Sie sogar. Dann bleiben Sie eben und sehen zu.« Ohne die kleinste Ãberleitung sprach er weiter. »Machâs gut, Sascha, wir sehen uns in der Hölle.«
Saschas Augen weiteten sich. Zum ersten Mal, wenn auch nur für einen Atemzug, sah Ralf, dass Sascha Freese ebenso Angst empfinden konnte wie jeder andere Mensch. Todesangst. Sascha öffnete den Mund, doch seine Worte blieben ungesagt. Ein Schuss hallte durch die Stille der Nacht.
Sascha fiel zu Boden. Was in Wirklichkeit nur eine, höchstens zwei Sekunden dauerte, kam Ralf vor wie die Unendlichkeit. Er registrierte jede kleinste Bewegung, jedes Zucken, jedes Aufbäumen von Saschas Körper, jedes Geräusch, nicht nur den Nachhall des Schusses, sondern auch das Brechen der Zweige eines Busches, den Sascha beim Fallen niederriss, und den harten Aufprall auf der Erde.
Er wusste, dass Sascha tot war, ohne sich davon überzeugen zu müssen. Er hätte nicht sagen können, wieso, er spürte es einfach. Langsam richtete er die Pistole auf sich selbst und krümmte den Finger um den Abzug.
»Sind Sie verrückt geworden?«, brüllte eine Stimme, die ihm vage bekannt vorkam. Wie in Trance schaute er zur Seite und erkannte Inga. Er hatte völlig vergessen, dass sie da war.
»Glauben Sie, das macht Mirko glücklich?«, fragte sie wieder ruhiger. »Wollen Sie, dass Sie für ihn ein Mörder und Selbstmörder sind?«
Vorsichtig nahm sie ihm die Waffe ab, er war zu benommen, um sich dagegen zu wehren. Er starrte zuerst sie an, danach Saschas Leiche auf dem Boden. Sein Blick glitt zurück zu Inga.
»Mirko war nie überzeugt davon, Sascha umzubringen, egal, welche Pläne wir geschmiedet haben«, sagte Inga. »Es waren sowieso hauptsächlich meine. Aber wenn er schon jemanden dafür verantwortlich macht, dass der Dreckskerl endlich tot ist, dann mich. Das wird er nämlich denken, und das ist auch gut so.«
»Warum ⦠Ich verstehe nicht â¦Â«, stammelte Ralf.
»Nein.« Inga seufzte. »Ich verstehâs selbst nicht. Sie haben mehr Mut im Leib, als ich je für möglich gehalten hätte. So was imponiert mir wohl. Wenn Ihnen so viel an Mirko liegt, wie Sie vorhin gesagt haben, besteht vielleicht noch Hoffnung auf Versöhnung. Gehen Sie nach Hause.«
»Aber â¦Â«
»Kein Aber. Sie haben mir hier schon die Arbeit abgenommen, den Rest erledige ich.«
Ralf fühlte, wie sich ein heiseres Lachen aus ihm emporkämpfte. »War ich es nicht vorhin, der Sie wegschicken wollte?« Er streckte die Hand aus. »Geben Sie mir die Pistole. Ich habe die Arbeit erledigt, wie Sie sich ausgedrückt haben, ich entsorge auch das Werkzeug. Sie müssen doch wieder nach Schwerin zurück, oder? Sie sollten keine Zeit verlieren.«
Der Zeitfaktor brachte Inga offenbar zum Nachdenken, dennoch reichte sie ihm nur zögernd die Waffe. »Was werden Sie damit tun?«
»Die See ist groà genug«, sagte Ralf.
Inga nickte, wandte sich ab und ging zurück zum Hauptweg, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Ralf stand reglos da und betrachtete die Waffe in seiner Hand. Weil es so eine kalte Nacht war, hatte er Handschuhe angezogen, seine Fingerabdrücke würden sich ebenso wenig darauf finden wie Ingas, die sicherlich aus anderen Gründen an Handschuhe gedacht hatte. Er schaute von der Pistole auf in den Himmel, der zwischen den Bäumen hindurchschimmerte, und lauschte in die Nacht. Inga hatte diesen abgelegenen Ort gut ausgesucht, er konnte Sascha in dem Gebüsch liegen lassen, in das er gefallen war, wahrscheinlich würde ihn eine ganze Weile niemand entdecken.
Bedächtig verlieà Ralf den dunklen Weg. Erst vorn beim Strandübergang begann er zu laufen, die Küste entlang, weiter und immer
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