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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bruchstückhafte Einzelheiten. Ob und wie oft ich mich gewaschen oder die Kleider gewechselt habe, fand vermutlich keinen dauernden Halt im Gedächtnis eines Sechsjährigen, der solche Dinge als selbstverständlich annimmt. Sehr genau erinnere ich mich an meinen Hundefreund Nosy. Sein kurzes Fell war rot und glatt, und wenn wir uns nachts die Pferdedecke teilten, stachen mich die grannigen Haare durch den Stoff meiner Kleider. Seine Augen waren grün wie Kupfererz, seine Nase hatte die Farbe gekochter Leber. Wenn wir uns nicht in der Küche den Bauch vollschlugen, balgten wir uns im Hof oder im Stroh unseres Nachtlagers. Das war mein Leben während meines Aufenthalts dort. Er kann nicht lange gedauert haben, denn ich erinnere mich nicht, dass das Wetter sich geändert hätte. Wenn ich an jene Tage zurückdenke, erinnere ich mich nur an Kälte und böigen Wind. An Schnee und Eis, die tagsüber aufweichten und in der Kälte des Nachtfrosts wieder erstarrten.
    Ein Ereignis aus jener Zeit hat sich mir eingeprägt, allerdings auch dieses blieb mir nur in den unbestimmten, weichen Farben eines kunstvollen alten Wandteppichs in einem halbdunklen Zimmer im Gedächtnis. Ich erinnere mich, vom Zappeln
des Welpen aufgewacht zu sein und vom Schein einer Laterne, die in die Box gehalten wurde. Zwei Männer beugten sich über mich, aber Burrich war bei ihnen, deshalb hatte ich keine Furcht.
    »Jetzt habt ihr ihn aufgeweckt«, warnte einer, und es war Prinz Veritas, der Mann aus dem behaglich warmen Gemach meines ersten Abends.
    »Na und? Sobald wir fort sind, wird er weiterschlafen. Verflucht sei er, er hat sogar seines Vaters Augen. Ich schwöre, ich hätte die Blutsverwandtschaft erkannt, wo immer wir uns begegnet wären. Zwecklos, sie leugnen zu wollen, jeder, der ihn sieht, wüsste sofort Bescheid. Doch hat denn keiner von euch auch nur einen Fingerhut voll Verstand? Bastard oder nicht, man steckt ein Kind nicht in den Stall, zu den Tieren. Gab es keinen anderen Platz, um ihn unterzubringen?«
    Der, der hier nun redete, hatte Veritas’ Augen und Kinnpartie, aber damit endete die Ähnlichkeit. Dieser Mann war erheblich jünger. Er trug keinen Bart, sein parfümiertes und frisiertes Haar war feiner und braun. Die Kälte hatte seine Wangen und seine Stirn gerötet, aber das war nur vorübergehend und nicht mit Veritas’ wettergegerbtem Gesicht vergleichbar. Außerdem kleidete sich Veritas, wie seine Männer gekleidet waren, in derben, haltbaren Wollstoff und bedeckte Farben. Nur das Wappen auf seiner Brust glänzte heller, mit Gold- und Silberfaden gestickt. Sein jüngerer Begleiter jedoch leuchtete in Scharlachrot und Schlüsselblumengelb, und mit dem Stoff seines wallenden Umhangs hätte man einen Menschen zweimal einkleiden können. Das Wams darunter war cremefarben und reich mit Spitzen besetzt. Das Tuch an seinem Hals war von einer Brosche gehalten, von der ein springender Hirsch in Gold prangte, dessen
grünes Edelsteinauge mich anfunkelte. Und seine kunstvolle Redeweise erschien wie verschnörkeltes Filigran neben Veritas’ geradliniger Schlichtheit.
    »Darüber habe ich nicht nachgedacht, Edel. Schließlich, was weiß ich von Kindern? Ich habe ihn in Burrichs Obhut gegeben. Er ist Chivalrics Mann und …«
    »Es lag nicht in meiner Absicht, die königliche Familie zu beleidigen, Hoheit«, erklärte Burrich in aufrichtiger Verwirrung. »Ich bin Chivalrics Mann und habe für den Jungen gesorgt, so gut ich es verstehe. Ich hätte ihn ins Mannschaftsquartier stecken können, doch meine ich, er ist noch zu jung für die Gesellschaft solcher Männer, die Tag und Nacht kommen und gehen, sich ständig Reibereien liefern und trinken und lärmen.« Aus dem Tonfall seiner Worte sprach deutlich seine eigene Abneigung gegen diese Art von Gesellschaft. »Hier dagegen hat er seine Ruhe und in dem Welpen einen Spielgefährten. Und solange meine gute Hexe nachts über ihn wacht, ist nichts zu befürchten, dass ihm jemand ein Leid zufügt. Ihr Herren, ich weiß selbst nicht viel von Kindern, und deshalb …«
    »Schon gut, Burrich, schon gut«, unterbrach ihn Veritas beschwichtigend. »An mir wäre es gewesen, sich darüber Gedanken zu machen. Stattdessen habe ich die Entscheidung dir überlassen, und wie die Dinge nun einmal stehen, finde ich nichts daran auszusetzen. Die meisten Kinder in diesem Ort haben es weniger gut, Eda weiß. Vorläufig wollen wir es lassen, wie es ist.«
    »In Bocksburg werden wir andere Vorkehrungen treffen

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