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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erdrückende Einsamkeit. Ich kann hinausgreifen und andere Menschen berühren. Manche ganz ohne Mühe. Aber niemand antwortet mir je. Als Chivalric noch lebte … Manchmal fühle ich mich unbeschreiblich verlassen ohne ihn; als wäre ich der letzte Überlebende einer ausgestorbenen Art. Der letzte der Wölfe, ein einsamer Jäger.«
    Mir lief es kalt über den Rücken. »Was ist mit König Listenreich?«, fragte ich hastig.

    Er schüttelte den Kopf. »Er macht nur noch selten von der Gabe Gebrauch. Seine Kraft hat nachgelassen, und die Weitseherei strengt ihn sowohl körperlich als auch geistig zu sehr an.« Wir gingen hintereinander die ersten Stufen hinunter. »Du und ich, wir sind die Einzigen, die das wissen«, sagte er leise über die Schulter. Ich nickte.
    Nach kurzem Schweigen erkundigte er sich: »Hast du dem Heiler deinen Arm gezeigt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Und Burrich auch nicht.« Es war mehr eine Feststellung als Frage von ihm, weil er die Antwort schon wusste.
    Wieder schüttelte ich den Kopf. Nachtauges spielerische Bisse hatten zu deutliche Spuren an meinem Körper hinterlassen. Ich konnte Burrich unmöglich die Wunden zeigen, die mir von den Entfremdeten zugefügt worden waren, ohne ihm meinen Wolf zu verraten.
    Veritas seufzte. »Nun gut. Halte die Wunde sauber; ich neh me an, du kennst dich damit aus. Wenn du das nächste Mal die Burg verlässt, sei klüger und rüste dich. Geh nie mals unbewaffnet los. Es wird nicht im mer ein Hel fer zur Stelle sein, der dich vor dem Schlimmsten bewahrt.«
    Ich tastete mit dem Fuß unsicher nach der nächsten Stufe, dann blieb ich kurz stehen. »Veritas«, er war weitergegangen, »wie viel wisst Ihr? Über - diese Sache?«
    »Weniger als du«, antwortete er jovial. »Aber mehr, als du glaubst.«
    »Ihr re det wie der Narr«, sagte ich bitter.
    »Ja. Manchmal. Er ist auch jemand, der weiß, was Einsamkeit ist und wozu sie einen Menschen treiben kann.« Er holte Luft, und fast rechnete ich damit, dass er sagte, er wisse, was ich sei, und verurteilte mich nicht darum, doch er fuhr fort: »Ich glaube, der Narr hatte eine Unterredung mit dir, vor ein paar Tagen.«

    Ich folgte ihm stumm und fragte mich, wie er so genau über so viele Dinge Bescheid wissen konnte. Die Gabe - natürlich.
    Als wir in sein Arbeitszimmer traten, erwartete Charim uns bereits. Wie immer. Essen stand auf dem Tisch und Glühwein, und Veritas machte sich mit gesundem Appetit darüber her. Ich hatte nicht viel Hunger, aber ich saß ihm gegenüber und schau te mit Vergnügen zu, wie er diese einfache, herzhafte Mahlzeit genoss. In dieser Hinsicht war er im mer noch ein Sol dat, dachte ich. Er hatte gelernt, die kleinen Freuden zu schätzen, solange sie sich ihm boten, also zum Beispiel sich zu einem guten Essen auf einen bequemen Stuhl an ei nen ansprechend gedeckten Tisch zu setzen. Es war eine große Genugtuung, ihn so voller Lebenskraft zu sehen. Ich dachte mit Unbehagen an den Som mer, wenn er wieder jeden Tag von der Gabe Gebrauch machen musste, um nach Pi raten vor unserer Küste auszuspähen und sie mittels der Kraft seiner Gedanken irrezuleiten, während er unseren Leuten eine rechtzeitige Warnung zukommen ließ. Ich hatte den Ve ritas vor Augen, wie er im vergangenen Jahr zur Erntezeit gewesen war - abgemagert, das Gesicht von tiefen Falten durchzogen, und nur die Stimulanzien, die Chade in seinen Tee mischte, hatten ihn aufrecht gehalten. Sein Leben war auf die Stunden reduziert gewesen, die er mit der Gabe arbeitete. Auch in diesem Sommer würde der Hunger nach der Gabe jeden anderen Hunger verdrängen. - Ob Kettricken sich damit abfinden konnte?
    Nach dem Essen setzten Veritas und ich uns über die Karten. Die Hinweise waren nicht länger zu leugnen. Ungeachtet aller Hindernisse durch Wälder, Flüsse oder die Schneewüste: Die Entfremdeten bewegten sich auf Bocksburg zu. Das war für mich ein Rätsel. Diejenigen, mit denen ich zu tun gehabt hatte, waren mir im höchsten Maße stumpfsinnig vorgekommen. Schwer zu glauben, dass einer von ihnen den Einfall haben könnte, sich über
Stock und Stein auf den Weg zu machen, nur um nach Bocksburg zu gelangen. »Aber diese Aufzeichnungen, die Ihr gesammelt habt, lassen kei nen anderen Schluss zu. Sämtliche Entfremdeten, die Ihr identifizieren konntet, marschieren auf Bocksburg.«
    »Du hast Schwie rigkeiten, es als ei nen überlegten Plan zu sehen?«
    »Ich be greife nicht, wie sie überhaupt einen Plan haben könnten. Wie haben sie

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