Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
abgetrieben wurden. Das Volk verlor darüber den Mut. Die Inlandprovinzen sträubten sich gegen Abgaben
zum Schutz einer Küste, an der sie keinen Anteil hatten; die Küstenprovinzen stöhnten unter einer Last von Steu ern, die ih nen dem Anschein nach keine Erlösung von dem Übel brachten. Wenn also die Begeisterung für Veritas’ Flotte sehr wan kelmütig und abhängig von der jeweiligen Volksmeinung war, können wir den Menschen nicht wirklich einen Vorwurf machen. Es schien mir der längste Winter meines Lebens zu sein.
     
    Von Veritas’ Arbeitszimmer begab ich mich zu Königin Kettrickens Gemächern. Ich klopfte und wurde von demselben kleinen Mädchen eingelassen wie zuletzt. Mit ihrem verschmitzten Gesicht und dem dunklen Lockenschopf erinnerte Rosemarie mich an eine Wasserfee. Drinnen empfing mich die bereits gewohnte bedrückte Atmosphäre. Mehrere von Kettrickens Frauen saßen auf Stühlen um ein weißes Leinentuch herum, das in einen Rahmen gespannt war. Sie bestickten die Ränder mit Blumen und Blättern in leuchtenden Farben. Ähnliche Zusammenkünfte hatte ich in Mistress Hurtigs Nähstube beobachtet, gewöhnlich ging es dabei heiter zu, es wurde geplaudert und gescherzt, die Nadeln zogen hurtig ihre Schweife aus buntem Garn durch den schweren Stoff. Nichts davon hier. Die Frauen arbeiteten mit gesenktem Kopf, waren emsig und geschickt, doch ohne fröhliche Unterhaltung. Parfümierte Kerzen, rosafarben und grün, brannten in allen Ecken des Zim mers und vermischten ihre Wohlgerüche über dem Rahmen zu einem bunten Duftgemisch.
    Kettricken führte den Vorsitz über die Handarbeiten, ihre Hände regten sich so fleißig wie die aller anderen. Von ihr ging die Stille aus. Der Ausdruck ihres Gesichts war gelassen, beinahe friedvoll, ihre Selbstgenügsamkeit so deutlich, dass ich die Mauern zu sehen glaubte, die sie umschlossen. Hinter der Maske oberflächlicher Liebenswürdigkeit war ihre Gegenwart nicht wirklich
zu spüren. Sie glich einem mit stillem, kühlem Wasser gefüllten Behälter. Ihr langes, schlichtes Gewand war von der Art, wie man es in den Bergen trug, und sie hatte keinen Schmuck angelegt. Als ich näher herantrat, hob sie mit einem fragenden Lächeln den Kopf. Ich fühlte mich wie ein Eindringling, der die fleißigen Schülerinnen und ihre Lehrmeisterin störte. Statt sie einfach zu begrüßen, versuchte ich deshalb meine Anwesenheit zu rechtfertigen. Ich wählte meine Worte sorgfältig, eingedenk der vielen lauschenden Frauen.
    »Hoheit, Kronprinz Veritas hat mich beauftragt, Euch eine Nachricht zu überbringen.«
    Für einen kurzen Augenblick schien ein kurzes Flackern in ihren Augen aufzuleuchten. »Ja«, sagte sie ausdruckslos. Keine der Nadeln unterbrach ihr tanzendes Auf und Ab, doch ich war sicher, jedes Ohr wartete gespannt darauf, was ich der Königin von ih rem Gemahl mitzuteilen hatte.
    »Oben auf dem Turm gab es frü her einen Garten, genannt der Königin Sommerfrische. Einst, sagte König Veritas, ergötzte man sich dort an Blumen, Teichen und Windharfen. Es war der Garten seiner Mutter. Meine Königin, es ist sein Wunsch, dass Ihr ihn haben sollt.«
    Das Schweigen am Tisch war fast greifbar. Kettrickens Augen öffneten sich weit. Vorsichtig fragte sie: »Bist du sicher, mir diese Botschaft richtig überbracht zu haben?«
    »Selbstverständlich, Hoheit.« Ich war verwirrt. »Er sagte, es würde ihm große Freude bereiten, den Garten zu neuem Leben erweckt zu sehen. Er sprach mit viel Wärme davon und erinnerte sich besonders an die Beete mit blühendem Thymian.«
    Das Glück auf Kettrickens Zügen entfaltete sich wie eine Blume. Sie hob eine Hand vor den Mund und holte vor Erregung kurz Luft. Sie errötete heftig, was ihre Wangen rosig färbte. Ihre
Augen leuchteten. »Ich muss hi nauf und den Garten sehen.« Sie erhob sich ab rupt. »Rosemarie? Meinen Um hang und die Handschuhe bitte.« Strahlend wandte sie sich ihren Frauen zu. »Wollt Ihr Euch nicht ebenfalls Mäntel und Handschuhe bringen lassen und mich begleiten?«
    »Hoheit, bei dem Wind heute …«, begann eine aus dem Kreis zögernd.
    Doch eine ältere Frau mit mütterlichen Zügen, Lady Modeste, stand langsam auf. »Ich werde mit Euch auf den Turm steigen. Pluck!« Ein kleiner Junge, der dösend in der Ecke gesessen hatte, sprang auf. »Lauf und hol mir mei nen Umhang und die Handschuhe. Und die Haube.« An Kettricken gewandt, erklärte sie: »Ich erinnere mich gut an diesen Garten aus der Zeit von Königin

Weitere Kostenlose Bücher