Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
sich die Worte abringen zu müssen, und er blickte beim Spre chen starr ge radeaus. Ich konnte mir dabei die Missbilligung um seinen Mund sehr gut vorstellen.
Du weißt es, weshalb fragst du. Ein lachend geöffnetes Maul, die zwischen den weißen Zähnen schlenkernde rote Zunge.
Burrich zuckte zusammen, als hätte ihn aus dem Nichts ein Finger angestoßen.
»Das war Nachtauge«, bestätigte ich ruhig und übersetzte ihm damit den Wolfsnamen in die Menschensprache. Ich hatte Angst. Burrich hatte ihn gespürt. Er wusste nun Bescheid, und es war sinnlos, nun noch etwas leugnen zu wollen. Doch ich empfand auch einen Funken Erleichterung, denn wie sehr war ich ihrer doch überdrüssig, all der Geheimnisse und Lügen, die mein Leben bestimmten. Burrich ritt stumm weiter, ohne mich anzusehen. »Ich habe es nicht mit Absicht herbeigeführt. Es ist einfach so gekommen.« Ich machte den Versuch zu einer Erklärung, nicht zu einer Rechtfertigung.
Ich habe ihm keine andere Wahl gelassen. Nachtauge machte sich lustig über Burrichs eisernes Schweigen.
Ich legte die Hand auf Rußflockes Nacken und bezog Trost aus der lebendigen Wärme des Tieres. Von Burrich kam immer noch nichts. »Ich weiß, du wirst es niemals gutheißen«, fuhr ich fort, »aber ich habe längst nicht mehr die Freiheit, darüber zu entscheiden. Es ist bereits ein Teil von mir. Ich bin, was ich bin.«
Das sind wir alle, spottete Nachtauge. Komm, ›Herz des Rudels‹, sprich zu mir. Werden wir nicht gut zusammen jagen?
›Herz des Rudels‹?, wunderte ich mich.
Er weiß, das ist sein Name. So haben sie ihn genannt, die Hunde, die ihn verehrten, wenn sie auf der Jagd Laut gaben. Damit haben sie sich gegenseitig angespornt. Hier Herz des Rudels, hier, hier, das Wild ist hier, ich habe es gefunden, für dich, für dich!‹ Das taten sie mit ihrem Kläfen kund, und einer versuchte den anderen zu übertönen, um als Erster seine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch jetzt sind sie alle fort, weit weg. Sie wären lieber bei ihm geblieben. Sie wussten, er verstand sie, auch wenn er keine Antwort gab. Hast du sie nie gehört?
Ich nehme an, ich habe es einfach nicht hören wollen. Doch was war das für ein verschwenderischer Irrtum!? - Weshalb taub sein wollen? Oder stumm?
»Musst du das in meiner Gegenwart tun?« Burrichs Stimme klang steif.
»Entschuldigung«, sagte ich, weil ich spürte, dass er wirklich daran Anstoß nahm. Nachtauge mokierte sich wieder darüber, aber ich ging nicht weiter darauf ein. Nach einem weiteren Augenblick unbehaglichen Schweigens stieß Burrich Rötel die Stiefelhacken in die Flanken und ritt im leichten Galopp an Kettrickens Garde vorbei. Zunächst zögerte ich, aber dann folgte ich ihm.
Er berichtete Kettricken militärisch knapp, was er veranlasst hatte, bevor wir von Bocksburg aufgebrochen waren, und sie nickte
ernsthaft, als wäre sie daran gewöhnt, solche Meldungen entgegenzunehmen. Uns wurde die Ehre zuteil, an ihrer linken Seite reiten zu dürfen. Zu ih rer Rechten ritt mit Fuchs rot ihre erste Gardeoffizierin.
Noch vor Tagesanbruch holte die Reiterei aus Bocksburg uns ein. Als sie aufschlossen, ließ Fuchs rot das Tempo verringern, damit ihre erschöpften Tiere sich erholen konnten, doch nachdem sich alle Pferde an einem Bach hatten satt trinken können, spornten wir sie wieder an. Burrich schwieg weiterhin beharrlich.
Vor Jahren hatte ich schon einmal die Reise nach Guthaven unternommen, als Teil von Ve ritas’ Gefolge. Damals hatten wir fünf Tage gebraucht, aber wir waren auch mit Wagen und Sänften, Gauklern, Musikanten und Lakaien unterwegs gewesen. Diesmal war es dagegen ein Gewaltritt mit leichtem Gepäck, und wir waren durch nichts gezwungen, jeder Biegung der breiten Küstenstraße zu folgen. Nur das Wetter zeigte sich ungnädig. Am ersten Morgen wurde es gar nicht richtig hell, und gegen Mittag brach ein Unwetter los. Schlimmer noch als das körperliche Unbehagen war das Wissen, dass der Sturm das Vorankommen unserer Flotte hemmte. Wann immer es sich er gab, dass wir das Meer se hen konnten, hielt ich nach Segeln Ausschau, doch je des Mal vergebens.
Fuchsrot verstand es, die Kräfte von Pferd und Reiter klug einzuteilen. Sie ließ abwechselnd Trab und Ga lopp reiten und sorgte dafür, dass die Tie re reichlich getränkt wurden. Während der seltenen Verschnaufpausen gab es für die Pferde eine Ration Hafer und für die Reiter Zwieback und Trockenfisch. Falls dieser oder jener bemerkte, dass uns ein Wolf
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