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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erklang, die jedoch ohne Kraft und Ausdruck war. »Nein, mein guter Narr, so weit bin ich noch nicht.«
    Wir warteten in atem loser Spannung, aber König Listenreich sprach nicht weiter. Schließlich trat ich langsam zu ihm hin, ging neben sei nem Polsterstuhl in die Ho cke und versuchte, sei nen Blick einzufangen. »Majestät?«
    Seine Augen streiften mein Gesicht, irrten wieder ab, kehrten dann aber widerstrebend zurück. Endlich schaute er mich an.
    »Habt Ihr alles verstanden, was ge sagt wurde? Majestät, glaubt Ihr, dass Veritas tot ist?«
    Seine Lippen teilten sich, die Zunge dahinter war grau. Er holte tief Atem. »Edel hat es gesagt. Eine Nachricht …«
    »Von wo?«, fragte ich behutsam.
    Er bewegte langsam den Kopf von einer Seite zur anderen. »Ein Bote... glaube ich.«
    Ich wandte mich an meine Mitverschworenen. »Es muss ein
Bote gewesen sein. Aus den Bergen, denn dort ist Ve ritas inzwischen. Der Trupp hatte schon fast den Blauen See erreicht, als Burrich zurückgeschickt wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Bote, nachdem er den ganzen langen Weg von den Bergen hinter sich gebracht hat, nicht bleiben würde, um Kett ricken die Nachricht zu überbringen.«
    »Bestimmt ist nicht ein Mann allein die ganze Strecke geritten«, wandte Burrich ein. »Die Ent fernung ist zu groß. Zu mindest hätte er unterwegs mehrmals die Pferde wechseln müssen. Oder aber er hat die Nachricht an einen anderen übergeben, der sie weiterträgt. Letzteres ist am wahrscheinlichsten.«
    »Mag sein. Aber wie lange würde diese Nachricht brauchen, um uns zu erreichen? An dem Tag, an dem König Listenreich sich meiner bediente, um mit ihm zu spre chen, lebte Veritas ja noch. Es war der Abend an dem ich bei nahe ohnmächtig geworden wäre.« Ich sah den Narren an, der nickte, dann fügte ich hinzu: »Und ich glaube, er ist sogar während der Schlacht von Guthaven bei mir gewesen.«
    Ich sah, wie Burrich in Gedanken die Tage zurückrechnete. Er zuckte unwillig die Schultern. »Trotzdem ist es möglich. Falls Veritas an dem Tag getötet wurde und man umgehend einen Boten ausgesandt hat, und wenn sowohl die Reiter als auch die Pferde gut waren … Es könnte zusammenpassen. Gerade so eben.«
    »Ich glaube nicht da ran.« Ich versuchte, all mei ne Überzeugungskraft in mei ne Stimme zu legen. »Ich glaube nicht da ran, dass Veritas tot ist.«
    Wieder richtete ich den Blick auf König Listenreich. »Glaubt Ihr es? Glaubt Ihr, Euer Sohn könnte gestorben sein, und Ihr hättet nichts davon gespürt?«
    »Chivalric... ist so von mir gegangen wie ein ausklingendes Flüstern. ›Vater‹, sagte er, glaube ich. ›Vater‹.«

    Damit hüllte sich das Zimmer in Schweigen. Ich wartete, während ich neben seinem Stuhl kauerte, auf die Entscheidung meines Königs. Langsam erhob sich seine Hand, als ob sie von einem eigenen Willen beseelt wäre. Sie überwand die ge ringfügige Entfernung zwischen uns und legte sich auf meine Schulter. Das war alles. Nur das Gewicht von des Königs Hand auf mei ner Schulter. Listenreich bewegte sich, sein Atemzug klang wie ein Seufzen.
    Ich schloss die Augen, und wir tauchten wieder in den ei ligen schwarzen Fluss. Wie schon einmal, begegnete ich dem verzweifelten jungen Mann, der in König Listenreichs sterbendem Körper gefangen war. Zusammen trieben wir in der brausenden Strömung der Welt. »Niemand ist hier. Niemand ist hier, außer uns.« Listenreich hörte sich niedergeschlagen und einsam an.
    Ich konnte mich nicht finden. Ich besaß hier kei nen Körper und keine Zunge. Listenreich hielt mich fest in diesem Mahlstrom. Ich war kaum imstande zu denken, erst recht nicht, mich an das wenige zu erinnern, das mir von Ga lens brutalen Lektionen über den Gebrauch der Gabe im Gedächtnis geblieben war. Es war, als würde man versuchen, sich an eine auswendig gelernte Rede zu erinnern, während man erdrosselt wird. Ich gab auf. Ich gab alles auf. Dann kam von irgendwoher wie eine in ei nem Luftzug gaukelnde Feder oder ein im Sonnenlicht tanzendes Staubkorn Veritas’ Stimme herangetrieben, die mir sagte: »Offen sein heißt einfach nur, sich nicht verschließen.«
    Die ganze Welt war ein Ort ohne Raum, alle Din ge im In nern von allen anderen Dingen. Weder sprach ich seinen Namen aus, noch dachte ich an sein Gesicht. Veritas war da, war immer da gewesen, und mich mit ihm zu verbinden, ging wie von selbst. Du lebst!
    Natürlich. Aber du nicht mehr lange, wenn du dich so verausgabst. Du verströmst alles,

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