Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
sehr wenig Zeit, denn was getan werden muss, muss ich sofort tun, noch heute Nacht.« Ich überlegte, wie ich ihr die Sach lage am besten erklären konnte. »Erinnert Ihr Euch an den Tag, an dem Ihr Ve ritas Euer Ehegelöbnis gegeben habt?«
»Selbstverständlich!« Sie schaute mich an, als wäre ich ver rückt.
»Er benutzte August, damals Mitglied eines Zirkels, um in Gedanken bei Euch sein und Euch sein Herz offenbaren zu können.«
Sie errötete. »Ich hätte nicht gedacht, dass sich noch jemand daran entsinnen würde, was in diesem Moment geschah.«
»Nur wenige waren eingeweiht.« Ich schaute mich um und sah, wie Burrich und der Narr dem Gespräch mit großen Augen folgten.
»Veritas hat mittels der Gabe zu Euch gedacht, durch August. Er ist stark in der Gabe. Ihr wisst es, Ihr wisst, wie er sie einsetzt, um unsere Küsten zu schützen. Es ist eine uralte magische Kunst, ein Talent der Weitseher. Veritas hat es von seinem Vater geerbt. Und ich erbte es, wenn auch weniger stark, von meinem Vater.«
»Weshalb erzählst du mir das?«
»Weil ich nicht glaube, dass Ve ritas tot ist. König Listenreich war, soweit ich weiß, früher stark in der Gabe. Heute ist er es nicht mehr. Er wurde ihr wie so vieler anderer Dinge durch seine Krankheit beraubt. Aber wenn es uns gelingt, ihn zu überreden und uns zu helfen, ihm verständlich zu machen, was wir wollen, kann ich ihm meine Kraft zur Verfügung stellen. Ihm könnte es gelingen, Veritas zu erreichen.«
»Es wird ihn töten.« Der Narr sagte es mit ton loser Stimme. »Ich habe gehört, was die Gabe einem Menschen alles nehmen kann. Mein König hat nicht mehr so viel zu geben.«
»Ich glaube nicht, dass wir um ihn fürchten müssen. Falls wir Veritas erreichen, wird er die Verbindung unterbrechen, bevor sein Vater Schaden nimmt. Mehr als ein mal hat er sich von mir zurückgezogen, um sicher zu sein, dass er mir nicht zu viel Kraft entzieht.«
»Selbst ein Narr sieht die Schwachstelle in dei ner Argumentation.« Der Narr zupfte an der Manschette seines feinen neuen Hemdes. »Wenn du Veritas erreichst, woher wissen wir, dass es echt ist und nicht nur Theater?«
Ich setzte zu einem ärgerlichen Protest an, aber der Narr hob die Hand. »Selbstverständlich, mein lieber, lieber Fitz, würden wir dir Glauben schenken, weil du unser Freund bist und wir natürlich wissen, dass dir einzig und allein unser Wohl am Herzen liegt, doch es könnte einige geben, die geneigt sind, an deinem Wort oder auch an deiner Selbstlosigkeit zu zweifeln.« Sein Sarkasmus brannte in mir wie Säure, doch ich unterbrach ihn nicht. »Und wenn du Veritas nicht erreichst, was haben wir dann? Ei nen ausgebrannten und siechen König, den man weiter als Popanz herumzeigen kann. Eine trauernde Königin, die sich zu all ih ren anderen Schmerzen fragen muss, ob sie vielleicht um einen Mann trauert, der noch gar nicht tot ist. Das ist die schlimmste Art von Trauer, die es gibt. Nein. Wir gewinnen nichts, selbst wenn du Erfolg haben solltest, denn unser Glaube an dich wäre nicht ausreichend genug, um die Räder anzuhalten, die sich längst dre hen. Und wir haben viel zu verlieren, wenn du scheiterst. Viel zu viel.«
Er sah mich an. Sogar in Burrichs dunklen Augen stand eine Frage geschrieben, als zweifelte er an der Klugheit dessen, wozu er mich über redet hatte. Kettricken verharrte regungslos in ih rer Anspannung und versuchte, sich nicht auf den blanken Knochen Hoffnung zu stürzen, den ich ihr vor die Füße geworfen hatte. Ich wünschte mir, dass ich gewartet hätte, um mich erst mit Chade
zu be raten. Jedoch würden wahrscheinlich die Um stände niemals wieder so günstig sein wie jetzt: diese Leute in diesem Raum, Wallace aus dem Weg und Edel von seinen Gästen in Anspruch genommen. Es musste jetzt sein - oder nie.
Ich schaute auf den Einzigen, der mir keine Beachtung schenkte. König Listenreich beobachtete selbstvergessen das Spiel der Flammen in seinem Kamin. »Er ist immer noch der König«, sagte ich ruhig. »Fragen wir ihn, und er soll entscheiden.«
»Das ist ungerecht! Er ist nicht er selbst!« Der Narr warf sich zwischen uns. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte sich hoch auf, um mir in die Augen zu sehen. »Unter dem Einfluss der Mittel, die man ihm verabreicht, lässt er sich so gutwillig lenken wie ein Zugpferd. Bitte ihn, sich selbst die Keh le durchzuschneiden, und er wird darauf warten, dass man ihm das Messer reicht.«
»Nein.« Eine brü chige Stimme
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