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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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versuchte zu ge hen, obwohl es mir so war, als ob Wände und Boden Wellen schlügen. An der Treppe blieb ich noch einmal stehen und winkte ihr beruhigend zu, doch drei Stufen höher und außer Sicht
musste ich in nehalten und nach Atem ringen. Das Kerzenlicht war viel zu grell, ich kniff die Augen zu und presste die Hände davor. Alles drehte sich.
    Leichte Schritte kamen die Treppe hinunter und machten zwei Stufen über mir Halt. »Ist Euch nicht wohl, Herr?«, erkundigte sich eine weibliche Stimme unsicher.
    »Ein Glas zu viel«, log ich. Mit mei nem vom Wein durchtränkten Hemd roch ich jedenfalls wie ein Trunkenbold. »Gleich geht es mir wieder besser.«
    »Ich werde Euch die Treppe hinaufhelfen. Hier zu stürzen wäre gefährlich.« Die Stimme drückte jetzt eisige Missbilligung aus. Ich machte die Augen auf und lugte zwischen den Fingern hindurch dem grellen Licht entgegen. Ich sah blaue Rocksäume aus dem robusten Stoff, den alle Dienstboten trugen. Ohne Zwei fel hatte sie schon oft mit Betrunkenen zu tun gehabt.
    Ich schüttelte abwehrend den Kopf, aber sie nahm keine Notiz davon, wie ich es an ihrer Stelle auch nicht getan hätte. »Sehen wir zu, dass wir Euch die Treppe hinaufbringen«, ermunterte sie mich. Wohl oder übel ließ ich mich von ihr stützen und stolperte die Stufen zum nächsten Absatz hinauf.
    »Vielen Dank«, murmelte ich und dachte, sie würde jetzt ge hen, aber sie hielt weiter meinen Arm fest.
    »Seid Ihr sicher, dass Ihr hier richtig seid? Die Dienstbotenunterkünfte befinden sich ein Stockwerk höher …«
    Ich brachte ein Nicken zustande. »Dritte Tür. Wenn es dir nichts ausmacht.«
    Sie schwieg ziem lich lange. »Das Zim mer des Bastards«, meinte sie schließlich kalt. Als klei ner Junge hätten mich diese Worte noch tief getroffen.
    »Allerdings. Du kannst jetzt gehen«, verabschiedete ich sie im gleichen Ton.

    Stattdessen trat sie dicht an mich heran. Sie griff in mein Haar und riss mei nen Kopf hoch, bis sie mir ins Gesicht sehen konnte. »Neuer!«, zischte sie erbost. »Ich sollte dich ein fach hier auf dem Flur liegen lassen!«
    Ich riss die Augen auf. Immer noch war mein Blick verschwommen, aber ich kannte sie, die Rundung ihrer Wangen, wie ihr das Haar über die Schultern fiel und ih ren Duft, wie von ei nem Sommernachmittag. Eine ungeheure Last fiel von mir ab, mein Herz klopfte wie wild vor Freude. Ich nahm sie in die Arme und küsste sie.
    Oder vielmehr versuchte ich sie zu küs sen, aber sie hielt mich mit ausgestreckten Armen von sich fern. »Ich küsse keinen Betrunkenen. Das ist ein Versprechen, das ich mir selbst gegeben habe und niemals brechen werde. Und ich dul de auch nicht, dass mich einer küsst.« Ihr Ton verriet, dass sie es bitterernst meinte.
    »Ich bin nicht betrunken, ich bin - krank«, pro testierte ich. Durch die Aufregung war mir noch schwindeliger geworden. »Aber das ist nicht wichtig. Du bist hier und in Sicherheit.«
    Ungeachtet ihrer Drohung machte sie keine Anstalten, mich meinem Schicksal zu überlassen. Die Geste der Fürsorglichkeit war ihr durch ihren Vater in Fleisch und Blut übergegangen. »Oh, ich verstehe. Du bist nicht betrunken.« Verachtung und Unglauben mischten sich in ihrer Stimme. »Du bist auch nicht der Ge hilfe des Schreibers. Und nicht der Stallbursche. Fängst du Freundschaften im mer mit Lügen an? Jedenfalls scheinst du sie damit zu beenden.«
    »Ich habe nicht ge logen«, verteidigte ich mich kläg lich. »Ich habe dir nur nicht ganz - es ist zu kompliziert. Molly, ich bin so unglaublich froh, dass du unversehrt bist. Und hier in Bocksburg! Ich dachte, ich müsste dich suchen...« Der feste Griff ihrer Hand um meinen Arm veränderte sich nicht. »Ich bin nicht betrunken,
glaub mir. Eben habe ich nur ge logen, weil ich mich geschämt habe zuzugeben, wie schwach ich bin.«
    »Also nimmst du Zuflucht zu einer Lüge.« Ihre Stimme durchschnitt die Luft wie ein Peitschenhieb. »Dafür solltest du dich schämen, nicht für dei ne Schwäche. Oder ist für den Sohn ei nes Prinzen das Lügen keine Schande?«
    Sie ließ mich los, und ich sank gegen die Wand. Es fiel mir schwer, meine Gedanken zu ordnen und mich gleichzeitig auf den Beinen zu halten. »Ich bin kein Prinzensohn. Ich bin ein Bastard. Das eine ist mit dem anderen nicht zu vergleichen. Und ja, auch für dieses Eingeständnis habe ich mich geschämt. Aber ich habe dich nie ausdrücklich angelogen und gesagt, ich wäre nicht der Bastard. Nur wenn ich bei euch war, wollte

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