Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
ausplaudern wird. Trotzdem, wie du siehst, wird es nicht lange geheim bleiben. Noch ehe der Tag zu Ende ist, werden die ersten Gerüchte im Umlauf sein, da wette ich. Ich halte heute Nacht Wache vor ihrer Tür.«
»Warum ausgerechnet du? Solltest du nicht ausruhen und mir …«
»Das Gefühl, versagt zu haben, kann eines Mannes Tod sein, Fitz, weißt du das? Früher einmal habe ich dir gesagt, der Kampf ist nicht vorüber, bevor er nicht gewonnen ist. Das da«, er zeigte mit einer geringschätzigen Handbewegung auf sein Bein, »ist für mich kein Grund aufzugeben. Beschämend genug für mich, dass mein Prinz die Reise ohne mich fortgesetzt hat. Hier an dieser Stelle werde ich ihn nicht wieder enttäuschen. Außerdem«, er stieß ein bellendes, freudloses Lachen aus, »in den Ställen gibt es nicht mehr genug Arbeit für uns beide, Flink und mich. Und lass dir sagen, ich wäre auch nicht mehr mit dem Herzen dabei. Also. Holst du nun Holz für die Schienen?«
Was blieb mir anderes übrig. Er schnitt an einer alten Hose das Bein auf, um sie über Verband und Schiene ziehen zu können, und ich half ihm die Stiege hinunter. Dann, ungeachtet seiner Worte von vorhin, humpelte er zu Rötels Box, um sich zu überzeugen, dass er gut versorgt war. Ich ging derweil zum Palas voraus. Ich wollte mit Kettricken sprechen und sie wissen lassen, dass jemand vor ihrer Tür Wache halten würde und warum.
Ich klopfte an und wurde von Rosemarie eingelassen. Die Königin war zugegen sowie eine Anzahl ihrer Frauen. Sie stickten oder hatten einen kleinen Webrahmen auf dem Schoß, dabei plauderten sie. Kettricken hatte ihr Fenster an diesem milden Wintertag geöffnet und blickte sinnend über das ruhige Meer. Sie erinnerte mich an Veritas, wenn er von der Gabe Gebrauch machte, und ich nahm an, dass ganz ähnliche Gedanken sie bewegten. Ich folgte ihrem Blick und fragte mich, wo die Roten Korsaren heute zuschlagen würden und wie die Dinge in Bearns stehen mochten. Offiziell gab es keine Nachrichten von dort. Gerüchte vermeldeten jedoch, die Küste wäre rot von Blut.
»Rosemarie, ich möchte unter vier Augen mit der Königin sprechen.«
Die Kleine nickte ernsthaft, trippelte hinüber zu ihrer Herrin und machte einen Knicks. Kettricken lauschte, blickte auf und bedeutete mir mit einer Handbewegung, ihr in der Fensternische Gesellschaft zu leisten. Ich begrüßte sie förmlich, dann wies ich lächelnd auf die See hinaus, als unterhielten wir uns über das schöne Wetter. Doch leise sagte ich: »Burrich hat den Wunsch, von heute Nacht an vor Eurer Tür Wache zu halten. Er fürchtet, wenn andere erfahren, dass Ihr guter Hoffnung seid, ist Euer Leben in Gefahr.«
Eine andere Frau wäre blass geworden oder hätte wenigstens Überraschung erkennen lassen. Kettricken hingegen berührte nur mit den Fingerspitzen das durchaus brauchbare Messer, das sie stets neben dem Schlüsselbund am Gürtel trug. »Fast wäre mir ein solcher offener Angriff willkommen.« Sie überlegte. »Ich denke, es ist eine kluge Maßnahme. Was kann es schaden, sie wissen zu lassen, dass wir einen Verdacht haben. Weshalb sollte ich besonnen und taktvoll sein? Burrich hat bereits ihre Grüße erhalten - einen Pfeil ins Bein.« Die Bitterkeit in ihrer Stimme und ihr grimmiger Unterton erschreckten mich. »Er mag seinen Posten einnehmen, und ich will ihm danken. Ich könnte einen gesünderen und kräftigeren Mann auswählen, aber ich würde nicht so viel Vertrauen zu ihm haben wie zu Burrich. Wird sein verletztes Bein ihm erlauben, seinen Dienst zu versehen?«
»Ich glaube nicht, dass sein Stolz es ihm erlauben würde, diese Aufgabe einem anderen zu überlassen.«
»Dann ist es gut.« Sie schwieg einen Moment. »Ich werde Anweisung geben, dass man ihm einen Stuhl hinstellt.«
»Ich bezweifle, dass er ihn benutzen wird.«
Sie seufzte. »Wir alle haben unsere eigene Art, Opfer zu bringen. Trotzdem wird er für ihn bereitstehen.«
Ich neigte zustimmend den Kopf und war entlassen. Als Nächstes kehrte ich in mein Zimmer zurück, um dort Ordnung zu schaffen und alles wegzuräumen, was noch vom Nachmittag herumlag und -stand. Doch als ich in den Gang einbog, bemerkte ich überrascht, wie die Tür zu meinem Zimmer sich langsam öffnete. Schnell drückte ich mich in eine andere Türnische und sah einen Moment später Justin und Serene aus meinem Zimmer herauskommen. Ich trat ihnen in den Weg.
»Immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Ort für euer Stelldichein?«,
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