Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
die Lage war. Einige Preisbullen waren verschwunden. Von den lockigen schwarzen Schafen, die zu vor einen ganzen Pferch gefüllt hatten, waren nur noch sechs Muttertiere und ein kümmerlicher Bock übrig geblieben. Ich war nicht genau über den Viehbestand unterrichtet, aber wohin ich den Blick auch richtete, begegnete mir nur Leere, während sonst um diese Jahreszeit alles aus den Nähten zu platzen drohte.
Anschließend wanderte ich durch die Vorratsspeicher und Nebengebäude. Vor einem davon luden Männer Getreidesäcke auf einen Wagen. Zwei andere Wagen, die bereits abfahrbereit waren, standen daneben. Ich schaute ihnen eine Weile zu und dann, als die Ladung in die Höhe wuchs und das Hantieren mit den Säcken mühsamer wurde, bot ich ihnen meine Hilfe an. Sie nahmen dankend an, und es entspann sich eine Unterhaltung. Als sie abfuhren, winkte ich ihnen nach und fragte mich auf dem Weg zur Burg hinauf, weshalb der Inhalt eines ganzen Kornspeichers flussaufwärts nach Turlake verschifft werden sollte.
Ich beschloss, noch einmal nach Burrich zu sehen, bevor ich mich in meine eigene Klause zurückzog. Seine Tür stand offen. In der Befürchtung, es könnte etwas geschehen sein, stürmte ich in die Kammer und erschreckte Molly, die gerade damit beschäftigt war, einen kleinen Tisch neben Burrichs Stuhl zu decken. Sprachlos starrte ich sie an. Als ich mich zu Burrich umwandte, sah ich seinen Blick auf mir ruhen.
»Ich dachte, du wärst allein«, sagte ich lahm.
Burrich musterte mich wie eine Eule. Der Pegel der Schnapsflasche hatte sich bereits um einige Fingerbreit gesenkt. »Das dachte ich auch«, antwortete er ernst. Wie immer, wenn er getrunken hatte, war ihm kaum etwas anzumerken, aber Molly ließ sich nichts vormachen. Ihre Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Sie beachtete mich nicht, sondern sprach zu Burrich.
»Ich werde Euch nicht lange stören. Prinzessin Philia hat mich beauftragt, Euch eine warme Mahlzeit zu bringen. Ihr hättet heute Vormittag nur wenig gegessen. Ich will nur noch die Schüsseln hinstellen, dann gehe ich.«
»Und nehmt meinen Dank mit Euch.« Burrichs Blick wanderte von mir zu Molly; ihm entging weder die Spannung zwischen uns noch ihre Missbilligung. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, hielt er es für nötig, sich zu rechtfertigen. »Ich habe eine anstrengende Reise hinter mir, Mistress, und meine Verletzung ist sehr schmerzhaft. Ich hoffe, Ihr nehmt keinen Anstoß daran.«
»Wer bin ich, Anstoß an Eurem Handeln zu nehmen, Herr«, entgegnete sie und stellte den letzten Teller hin. »Kann ich noch etwas für Euch tun?«
Ihr Ton war höflich, weiter nichts. Ich schien dagegen Luft für sie zu sein.
»Ihr könnt meinen Dank annehmen. Nicht allein für die Speisen, sondern auch für die Kerzen, die meine Kammer mit erfrischenden Düften erfüllen. Wie ich erfahren habe, stellt Ihr sie selbst her?«
Er hatte das Richtige getroffen, denn ihre abwehrende Haltung lockerte sich. »Prinzessin Philia hat mich gebeten, sie zu bringen, und ich habe es gerne getan.«
»Ich verstehe.« Die nächsten Worte kosteten ihn mehr Überwindung. »Dann richtet der Prinzessin meinen Dank aus. Und Lacey gebührt er gleichfalls, da bin ich mir sicher.«
»Das werde ich tun. Dann braucht Ihr also sonst nichts weiter? Ich habe in Burgstadt unten Einkäufe zu machen, und meine Herrin trug mir auf, falls Ihr irgendetwas aus dem Ort zu besorgen hättet, sollte ich es Euch bringen.«
»Nichts. Aber es war freundlich von ihr, da ran zu denken. Vielen Dank.«
»Ich bin gerne Behilflich.« Und dann schritt Molly mit dem leeren Korb am Arm an mir vorbei, als wäre ich gar nicht vorhanden.
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen im Zimmer. Ich schaute zur Tür, durch die Molly verschwunden war. Dann bemühte ich mich, meine Gedanken auf das zu richten, weswegen ich hergekommen war. »Es sind nicht nur die Stallungen«, erklärte ich und erzählte von meinen Beobachtungen.
»Was das angeht, hätte ich dir auch schon einiges erzählen können«, sagte er schroff. Er musterte das Essen, das Molly gebracht hatte, dann goss er sich das Glas wieder voll. »Unterwegs kommt einem so allerlei zu Ohren. Es hieß, Edel verkaufe Getreide, um die Mittel zur Verteidigung der Küste aufzubringen. Andere sagten, die Zuchttiere würden nach Tilth geschafft, um auf den dortigen Weiden vor dem Zugriff der Piraten sicher zu sein.« Er trank aus. »Dass die besten Pferde weg sind, habe ich auf den ersten
Weitere Kostenlose Bücher