Five Stars 02 - Wildes Verlangen
interessieren sich nicht für die triste Wahrheit, die haben sie zu Hause selber. Sie wollen belogen werden.«
Abgesehen von diesem zugegeben etwas seltsamen Umgang mit Fiktion und Realität, war Steve ein angenehmer Auftraggeber. Bei TV66 war er der zweite Mann hinter Mister Silberberg, dem Eigentümer des Senders, den kaum jemand je zu Gesicht bekam und von dem der eine oder andere Mitarbeiter behauptete, es handele sich nur um ein Phantom.
Ich glaubte, dass ich es nicht zuletzt Steve verdankte, den Job bei der Produktion von »Flirthotel« ergattert zu haben. Obwohl, bei Licht betrachtet war es wohl eher Charly, die den richtigen Einfall gehabt hatte, ihn zu überzeugen. Ich selbst hatte mir ehrlich gesagt überhaupt keine Chance ausgerechnet, aber Charly redete auf mich ein: »Diese Double-Six-Leute sind neu im Geschäft, die haben noch nicht die fette Kohle verdient, um sich eine der renommierten Agenturen für das Casting und die Kandidatenbetreuung zu leisten. Das ist unsere Chance, wir müssen nur frech genug sein.«
Typisch Charly, die eigentlich Charlotte Simon hieß, ein Jahr jünger war als ich und bereitwillig ihren Job bei den Königskindern geschmissen hatte, als ich sie gefragt hatte, ob sie bei mir als Assistentin, Planerin, Organisatorin - sprich als Mädchen für alles - anfangen wollte. Ein dickes Gehalt konnte ich ihr nicht bieten, denn ich hielt mich am Anfang mit der Organisation von Wahlen zur »Miss Autohaus Krüger«, Wet-T-Shirt-Contests in Diskotheken und anderen Peinlichkeiten über Wasser. »Geld ist nicht alles«, lautete Charlys spontane Antwort auf mein Angebot. Als sie die Ausschreibung von TV66 sah, war sie sofort Feuer und Flamme. Sie suchten eine Castingagentur für die neue Show »Flirthotel«, dem luxuriösen Gegenstück zum Dschungel oder Container, bei der Singles in einem Traumhotel in einem der TOP-Reiseziele dieser Erde untergebracht werden. Im Prinzip handelte es sich um eine Abwandlung bekannter Flirtshows, bei der die Zuschauer nach jeder Sendung entscheiden, wer bleibt und wer nach Hause fliegt. Die Kandidaten bekommen jeder eine Suite mit Wohn-und Schlafzimmer, in der Kameras und Mikrofone jede Bewegung und jedes Geräusch aufzeichnen. Auch die Außenbereiche des Hotels werden weiträumig von Kameras erfasst. Der Plan des Senders sah keinerlei Privatsphäre vor, aber Charly hatte die Idee, einen Alternativentwurf zu präsentieren. Ich hielt das für verwegen, da ich aber ohnehin nicht an unsere Chance glaubte, spielte ich mit. Wir entwickelten in zwei Tagen und Nächten ein leicht abgewandeltes Konzept. Das Schlafzimmer sollte für die Kameras nur zu Hälfte einsehbar und das Bett dabei nur im unteren Drittel im Bild sein, der Ton aber immer mitlaufen. Ich erinnerte mich noch gut, dass Steve energisch den Kopf schüttelte, als ich diese Änderung präsentierte. »Sex sells«, brummte er als vernichtenden Kommentar.
»Natürlich«, gab ich zur Antwort und setzte, über meine eigene Schlagfertigkeit verwundert hinzu: »Aber dazu muss es erst einmal zum Sex kommen. Glauben Sie wirklich, die Pärchen werden sich von wildem Verlangen getrieben auf die Betten werfen, wenn sie wissen, dass Millionen Zuschauer jedes Detail sehen? Außerdem haben wir den Ton und das heizt die Fantasie viel mehr an, als Bilder, die es in jedem Porno schärfer gibt.«
Steve schob die Unterlippe vor, was seinem Gesicht einen fast kindlichen, trotzigen Ausdruck gab. In diesem Moment wusste ich, dass ich ihn an der Angel hatte.
»Haben Sie auch eine Idee für eine Location?«
Ohne nachzudenken, antwortete ich: »Bali.« Warum sollte ich nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem ich gleich noch einen Punkt auf meiner »Löffelliste« abhakte. Als ich die Fragezeichen in Steves Augen sah, bemühte ich mich, so viel Überzeugungskraft wie möglich in meine Stimme zu legen: »Bali, das ist Exotik pur. Die Insel der Götter, samtene Tropenluft, geheimnisvolle Riten, uralte Reisterrassen. Ich sehe geradezu die Bilder vor mir … .«
Ein Blick in Steves Gesicht zeigte mir, dass ich auch seine Fantasie in Gang gesetzt hatte. Zwei Tage später unterschrieb ich einen Vertrag, der »Five Stars Event Management« mit dem Casting der Kandidaten und deren Betreuung während der Produktion beauftragte. An diesem Abend betranken Charly und ich uns mit Champagner - zwar vom Diskounter, aber was machte das schon.
Und jetzt spazierte ich hier am großzügigen, mehrfach geschwungenen Pool und der
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