Flagge im Sturm
keine Spanier“, wandte sie ein und merkte sogleich, dass sie beinahe Jonathans Identität verraten hätte. „Graham hat dich belogen. Falls dir noch etwas an deinem guten Namen und deiner Ehre liegen sollte, musst du die Angelegenheit wieder richtigstellen. Diese Schaluppe hier gehört Engländern, nämlich Männern aus Massachusetts.“
Roger redete weiter, als hätte er überhaupt nicht zugehört. „Und jetzt, da ich endlich diese Felshöhle von Nantasket besitze“, sagte er beinahe träumerisch, „werden wir alle Prisen, die wir nehmen, hereinbringen und entladen können, bevor wir sie in Newport vorführen und dort nur noch den Wert des Schiffes selbst deklarieren. Dann werden bald keine Gläubiger mehr vor meiner Haustür stehen, verdammt seien ihre gierigen Seelen. “
Demaris hörte gut zu und verstand genug, um sich zu wünschen, Jonathan könnte das alles auch hören. Sie wusste, dass es gefährlich war, Roger jetzt zu reizen, doch die Liebe zu ihrer Farm ließ sie nicht schweigen.
„Roger, Nantasket ist noch immer mein Eigentum. Die Farm wird dir niemals gehören. “
Überrascht blickte er sie an und zog die Augenbrauen bis zu den starren Locken seiner Perücke hoch. „Gewiss wird sie mir gehören, und zwar sehr bald. Ich habe nämlich vor, dich zu überleben, meine liebe Demaris.“
„Ebenezer hat Nantasket mir hinterlassen“, wandte sie vorsichtig ein. „Und wenn ich sterbe, würde die Farm an meine Kinder fallen. “
Verächtlich verzog Roger die Lippen. „Sechs Jahre warst du mit meinem Bruder verheiratet, und wenn Eben auch ein trockener alter Stock war, so bezweifle ich doch, dass er dich nachts immer in Ruhe gelassen hat. Trotzdem hat er dir nie einen Sohn verpasst, oder? Du bist so unfruchtbar wie ein Stein - genau wie Evelyn es auch war. “
„Nein, Roger, da irrst du dich.“ Sie konnte sich ein glückliches kleines Lächeln nicht versagen. „Ich bin nämlich jetzt schwanger. “
Rasch schweifte Rogers Blick über ihre Gestalt. „Dann bist du es noch nicht sehr lange“, stellte er fest. „Und das Balg kann auch nicht Ebens sein. “
„Nun, umso besser“, redete er voller Verachtung weiter.
„Als Gattin hättest du mir ohnehin nicht gepasst. Im einen Augenblick hältst du fromme Predigten, und im anderen machst du für irgendeinen hergelaufenen Matrosen die Beine breit. Nun, das ist jetzt auch gleichgültig. Wenn du verschwindest, wird niemand je erfahren, dass du einen Bastard mit dir genommen hast.“
Demaris’ Lächeln erstarb. „Du willst mich also allen Ernstes umbringen“, stellte sie leise fest.
Roger zupfte an seinen Manschetten und zuckte die Schultern. „Selbstverständlich nicht eigenhändig. Eines Tages wirst du auf der Flucht einfach über Bord gehen, und das wär’s dann. Wahrscheinlich werde ich Graham bitten, vor Long Island das Nötige zu veranlassen. Dort sollen nämlich auch deine elenden Quäker ihr Unwesen treiben, und du bekommst dann vermutlich eine anständige Beerdigung, wenn deine Leiche bei deinesgleichen angetrieben wird.“
Demaris wurde es kalt, eiskalt, als triebe sie jetzt schon im Ozean. „Ich glaube dir nicht, dass du das ernst meinst, Roger.“ Sie rieb sich die Arme. „Ich glaube einfach nicht, dass du zu so etwas imstande wärst.“
„Glaube es nur, liebe Schwägerin.“ Er packte sie bei den Schultern und schob sie zur Kajütentür. „Noch nie in meinem Leben habe ich etwas ernster gemeint.“
Demaris verlor das Gleichgewicht. Sie schrie auf und stolperte vorwärts, wobei sie mit der Wange hart gegen den Türrahmen prallte. Sogleich fühlte sie das Blut aus der Platzwunde tropfen. Grob zog Roger sie an den Haaren wieder in die Höhe.
Und während er das tat, zerbrach in Demaris etwas. Es durchdrang die lebenslang eingeübte Friedfertigkeit und den Glauben daran, dass das Gute immer siegen würde. Roger Allyn beabsichtigte, sie und ihr ungeborenes Kind umzubringen, und da gab es keine Debatte mehr über Recht oder Unrecht. Falls sie ihn nicht aufhielt, würde sie sterben.
Instinktiv drehte sie sich herum und warf ihr ganzes Gewicht gegen Roger. Mit einem Fluch auf den Lippen taumelte er rückwärts auf den Boden. Weil er indessen immer noch ihr Haar festhielt, fiel sie über ihn. Ihre Beine verfingen sich in ihren Unterröcken, und sie versuchte verzweifelt, sich zu befreien.
Mit den Fingernägeln zerkratzte sie sein Gesicht, und endlich schaffte sie es, sich auf den Knien aufzurichten. Aufschluchzend griff sie
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